Während die einen fluchend über der Toilette hängen – ob wegen Norovirus oder Kater – schlendern andere unbeeindruckt übers Frühlingsfest und haben eine gute Zeit. Bartek von den Orsons berichtet in seiner Kolumne.

Es soll ja verschiedene Wasengänger:innen geben. Solche die schon betrunken ins Zelt torkeln, sobald sie ankommen, diejenigen, die erst gemütlich eine Runde laufen und was fahren, bevor sie ins Zelt gehen und solche, die das Almhüttendorf nicht verlassen und sich dort mit Wein und Schnaps über Wasser halten.

 

Ich gehöre keiner der Gruppen an.

Abseits der Bratwurst

Nur einen Tag bevor die Zeitungen schreiben, dass mehr als 300 Personen mit Magen-Darm-Beschwerden zu kämpfen hatten nach einem Besuch des Frühlingsfests, betrete ich um die Mittagszeit mit Mama den Cannstatter Wasen. Eine kleine Tradition von uns: saures Radler, Wildbratwurst, Handyhülle oder Gürtel kaufen. Nirgends eine Schlägerei, keine:r pöbelt, niemand drängelt sich am Crêpes-Stand vor, es herrscht lockere Witzelstimmung an den Süßigkeitenständen und von irgendwoher dringt ein Song von Lionel Richie sanft in unsere Ohren.

Vom Wetter her haben wir es gut erwischt, man kann gemütlich ins Almhüttendorf schlendern und sich erstmal einen Überblick verschaffen. Vereinzelt stehend schon Wurstverzehrende an den Biertischen. Normalerweise würde ich eine Wildbratwurst bestellen, aber mir ist ein Plakat am Almhüttenzelt aufgefallen und ich musste mich spontan umentscheiden:

Mittagsangebot: Haxe und Halbe für 13,90 Euro! Zack, bestellt und in Windeseile bekommen. Auch ein Vorteil des frühen Frühlingsfestbesuchs. Alle noch gut drauf, scherzend die Kellner:innen und noch hat niemand vors Zelt gekotzt.

Thank you, brother

Beim Verlassen des Zeltes fällt mir auf, dass ein weiteres Lied von Lionel Richie durch die Luft tönt und als ich mich umschaue, steht da doch tatsächlich ein Straßenmusiker mit Keyboard und E-Gitarre und singt diese Lieder live! Ich war mir sicher, da läuft eine Playlist aus den Boxen. Daraufhin stellen sich Mama und ich an ein Häuschen und hören ein bisschen zu, werfen zwei Euro in den aufgeklappten Gitarrenkoffer, woraufhin Frühlingsfest-Lionel-Richie ein „thank you, brother!“ zwischen die Strophen drückt.

Ein Knoblauchbaguette holen wir uns dann später auch noch und plaudern entspannt mit der polnischen Verkäuferin. Ein sehr gelungener, weil sehr entspannter Ausflug.

Gleichzeitig verstehe ich Menschen, die das Gesicht verziehen, wenn sie auch nur das Wort „Wasen“ oder „Frühlingsfest“ hören. Aber es ist wie bei „Malle“. Es gibt viel mehr Möglichkeiten als nur auf den Ballermann zu gehen und sich kaputt zu saufen. Man kann auch schon mittags aufs Frühlingsfest gehen und nur ein kleines bisschen saufen.

Love will find a way,

Euer Bartek