Am Donnerstag läuft die neue Komödie von Sönke Wortmann in den Kinos an: Unterhaltsam spießt „Frau Müller muss weg“ alles auf, was Eltern, Lehrer und Schüler umtreibt.

Stuttgart - Samstags müssen die Kinder nicht in die Schule. Ihre Eltern aber schon, zumindest dann, wenn sie mit der Klassenlehrerin eine Sprechstunde vereinbart haben. Das Ziel ist klar: die Lehrerin muss weg, weil sie den Kindern mit ihrer Notengebung den Übergang ins Gymnasium versperrt. So unverblümt werden die besorgten Helikopter-Eltern ihr Anliegen nicht vortragen, für die notwendige Diplomatie erklärt sich Jessica zuständig, die ja nicht umsonst in einem Ministerium arbeitet. Aber dass es die zwei Herren und drei Damen mit dem Pädagogen-Abschuss ernst meinen, zeigt ihr Auftreten: Finster entschlossen marschieren sie gemeinsam in Zeitlupe auf die Juri-Gagarin-Grundschule zu, in einer Phalanx, als ginge es für sie um Leben und Tod.

 

Für Sönke Wortmann aber geht es in seiner parodistisch mit dem Italowestern spielenden Eingangsszene um etwas anderes. Mit den zum Schulkampf schreitenden glorreichen Fünf schlägt er den Grundton einer Komödie an, die mit leichter Hand, aber nie leichtfertig real existierende Bildungskonflikte auf die Leinwand bringt. Der am Donnerstag bundesweit in den Kinos startende Film zeigt das ganze handwerkliche Können des Regisseurs, dem zuletzt mit den „Schoßgebeten“ nach Charlotte Roche nicht der Erfolg beschieden war, den der sexgesättigte Skandalstoff erhoffen ließ. Nun aber wendet sich Wortmann wieder dem Alltäglichen zu. Skandale zum Aufspießen findet er auch hier.

Mobben mit höflicher Miene

Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Lutz Hübner, verwandelt sich in „Frau Müller muss weg“ das Dresdner Klassenzimmer schon bald in eine veritable Kampfarena. Zwischen Pulten und Vitrinen wird hier alles umeinander gewirbelt, was die deutsche Bildungslandschaft derzeit umtreibt. Ehrgeizige Eltern, überforderte Schüler und unter Druck gesetzte Lehrer, die das soziale Versagen des Elternhauses kompensieren müssen: alles kommt unterhaltsam und kurzweilig zur Sprache an diesem Schulsamstag, den Wortmann von mittags bis mitternachts mit starken Schauspielern in Turbulenzen versetzt.

Die glorreichen Fünf werden ja nicht glorreich bleiben, auch wenn es bei der ersten Konfrontation mit Frau Müller noch so scheint. „Wir feuern Sie nicht“, sagt Jessica, die von Anke Engelke mit der kaltblütigen Energie einer Topmanagerin ausgestattet wird: „Wir wollen nur, dass Sie die Klasse abgeben“ – und dabei kommandiert sie ein höfliches Lächeln in ihr Gesicht, vor dem Frau Müller jetzt einfach kapitulieren soll. Tut sie aber nicht, diese Müllerin, denn anders, als ihr gemütliches Aussehen suggeriert, ist die von Gabriela Maria Schmeide resolut verkörperte Lehrerin fürs Duell mit den Erziehungsberechtigten gewappnet. Erfüllt von pädagogischem Eros, liest sie ihnen die Leviten und verlässt türknallend das Zimmer. Müller lässt sich nicht mobben.

Zwei plus für den Regisseur

Zurück in der Klasse bleiben die konsternierten Eltern. Sie schmoren im eigenen Saft und lenken ihr Mobbing um, bis sie einander just so in den Haaren liegen wie sonst nur die lieben Kleinen. Stilsicher fängt Wortmann diese Eskalationen ein, wobei er die Rangeleien sowohl thematisch als auch räumlich noch weitet, wenn er die Herrschaften auf der Suche nach der Lehrerin durchs Gebäude streifen und am Ende mitsamt Handy ins Schwimmbad plumpsen lässt. Dort stellt die klatschnasse Jessica fest, dass ihr Mustergatte sie gerade betrügt. „Frau Müller muss weg“ ist deshalb nicht nur eine lustige Schulkomödie, sondern auch eine kluge, den Zeitgeist mit Witz diagnostizierende Gesellschaftskomödie, konzentriert entwickelt und typengenau besetzt, mit Liebe zum Detail, treffsicheren Dialogen und überraschenden Wendungen. Und das Beste dabei: der Film macht auch noch Lust auf eine ernsthafte Nachbereitung des heiter boshaften Bildungsstoffs. Die gerechte Frau Müller würde Herrn Wortmann dafür eine zwei plus geben.

PS: Im Stuttgarter Theaterhaus ist „Frau Müller muss weg“ auch als Bühnenstück zu sehen. Es steht wieder am 16. Januar sowie am 1. und 28. Februar auf dem Programm.

Frau Müller muss weg. Deutschland 2014. Regie: Sönke Wortmann. Mit Anke Engelke, Gabriela Maria Schmeide und Alwara Höfels. 87 Minuten. Ab sechs Jahren. Von Donnerstag an im Bollwerk und im Gloria.