In den späten 80ern starb der als Hacker und KGB-Spion bekannte Karl Koch unter rätselhaften Umständen. Der frühere „hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg rollt den Fall in der Sky-Doku „23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers“ neu auf.

Im Frühjahr 1989 wird in einem niedersächsischen Waldstück im Landkreis Gifhorn die verkohlte Leiche eines jungen Mannes gefunden. Die Polizei schließt Fremdeinwirkung nicht aus. Wenige Tage später heißt es jedoch, es habe sich eindeutig um einen Suizid gehandelt. Die Akten sind mittlerweile einsehbar, die Obduktionsergebnisse sind nach wie vor unter Verschluss; und das ist längst nicht das einzige Rätsel, das der damals als „Superhacker“ und KGB-Spion zu zweifelhaftem Ruhm gekommene Karl Koch aus Hannover hinterlässt.

 

Einige Jahre nach dem Tod des 23-Jährigen hat Hans-Christian Schmid dieses unstete und von Verschwörungserzählungen geprägte Leben, in dem die amerikanische Romantrilogie „Illuminatus“ und die Zahl 23 eine geradezu obsessive Rolle spielten, verfilmt; „23 – Nichts ist so, wie es scheint“ ist 1999 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet worden.

Die Zeitläufte vor dem Mauerfall

Nun hat sich Jürgen Schulte, Frank Plasbergs Produktionspartner in der gemeinsamen Firma Ansager & Schnipselmann, dieses bis heute faszinierenden, allzu kurzen Lebenslaufs angenommen. Natürlich ist Kochs tragischer Werdegang nicht lustig, aber „23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers“ bereitet dank des facettenreichen Drehbuchs (Benjamin Braun) und der vorzüglichen Umsetzung (Regie: Carsten Gutschmidt) dennoch ein gewisses Vergnügen; erst recht, wenn man Schmids Film kennt und die Achtziger miterlebt hat, denn dank vieler zeitgenössischer Ausschnitte spielen die Zeitläufte dieses Jahrzehnts vor dem Mauerfall eine erhebliche Rolle. Ihren besonderen Reiz verdankt die Rekonstruktion jedoch der Mitwirkung aller wichtigen Beteiligten; dazu zählen nicht nur Kochs Freunde, sondern auch Schmid sowie seine beiden Hauptdarsteller August Diehl und Fabian Busch.

August Diehl ist in gleich mehreren Rollen zu sehen

Wo Dokumentationen sonst auf rekonstruierte Szenen zurückgreifen, um Leerstellen zu füllen, bedienen sich Braun und Gutschmidt kurzerhand bei Schmids Spielfilm. Auf diese Weise ist Diehl nun in gleich mehreren Rollen zu sehen: in den Filmausschnitten als Karl Koch, in der Runde mit Schmid und Busch auf einer Metaebene, weil das Trio 25 Jahre nach den Dreharbeiten auf die noch länger zurückliegenden Ereignisse blickt, und schließlich als Vorleser der Vernehmungsprotokolle sowie von Kochs Aufzeichnungen.

Der Kalte Krieg befand sich damals in einer seiner heißesten Phasen, die Angst vor einem atomaren Angriff war weit verbreitet. Um ein Gleichgewicht des Schreckens herzustellen, wollten Koch und seine Mitstreiter dem KGB militärische Informationen zukommen lassen. In der Retrospektive erweist sich der Hacker mit gerade mal Anfang zwanzig als Visionär. Früher als andere ahnte er, welcher Machtmissbrauch durch die Digitalisierung möglich sein würde: von der totalen Überwachung bis hin zur Streuung von Desinformationen.

Frank Plasberg recherchiert in Washington

Dank der vielen Interviews entsteht nach und nach das Bild eines jungen Mannes, dem eine Psychotherapeutin eine Psychose attestiert, weshalb seine Freunde umso empörter sind, wie sich nicht nur die Geheimdienste, sondern auch das Fernsehen ohne Rücksicht auf Verluste seiner Kenntnisse bedient haben. Die Symbiose zwischen Hackern und Medien ist ein ebenso aktueller Aspekt wie die Frage, ob Koch mit seinem Know-how-Transfer unfreiwillig die Basis für die heutigen russischen Cyberattacken geschaffen hat.

Plasberg, der regelmäßig Hintergrundinformationen einstreut, spricht in Washington mit einem ehemaligen Sicherheitsberater und Putin-Vertrauten; der russische Präsident war damals KGB-Offizier in Dresden. Ergiebiger sind allerdings die Ausführungen jener Gesprächspartner, die den jungen Hacker begleitet haben, als Weggefährten oder als Journalisten.

23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers: Donnerstag, 7. Dezember, 20.15 Uhr, Sky