Glücksgefühle und Halluzinationen bis hin zu Euphorie: Lachgas hat sich zur Partydroge entwickelt. Kaufen kann man das Narkosegas etwa im Supermarkt. Wir erklären, warum Lachgas so gefährlich ist.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Kartuschen mit Lachgas, die neben Süßigkeiten zum Verkauf angeboten werden: Das findet man mittlerweile mancherorts in Deutschland. Denn abgesehen von der medizinischen Verwendung als Narkosemittel wird Lachgas zunehmend auch als Partydroge benutzt. Der Effekt in der Regel: starke Euphorie, auch Benommenheit und Halluzinationen. Inhaliert wird es durch Luftballons, die vorher mit  den Lachgas-Kartuschen befüllt werden.

 

Unmittelbar nach dem Inhalieren setzt der Rausch ein und hält von ein paar Sekunden bis zu drei Minuten an, sagt Andrea Piest vom Notdienst für Suchtmittelgefährdete und Abhängige in Berlin. Doch das frei verkäufliche Gas kann kurz- und mittelfristig gefährlich sein.

Deutsche Gesellschaft für Neurologie warnt vor Konsum

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt vor dem Konsum von vermeintlich harmlosem Lachgas. Auf die Inhalation von Distickstoffoxid, einem farblosen Gas aus der Gruppe der Stickoxide, könnten schwere neurologische Beschwerden oder Blutbildstörungen folgen, erklärte die DGN Ende März. "Lachgas erobert derzeit als Partydroge Deutschland", heißt es in der Mitteilung. "Es gilt als vermeintlich risikoarm, da die Wirkung bereits nach wenigen Minuten nachlässt, doch das ist ein massiver Trugschluss!"

Viele Betroffene verschwiegen in der Klinik, dass sie Lachgas konsumiert hatten. Das erschwere häufig eine schnelle Diagnose und damit einen raschen Therapiebeginn mit größeren Chancen, Langzeitschäden zu vermeiden. Gemeinsam mit der Deutschen Hirnstiftung fordert die DGN deshalb eine Informationsoffensive gerade für Jüngere. Denn die Gefahr durch Lachgas werde unterschätzt: "Die wenigsten Menschen wissen, dass sie schwere, möglicherweise auch lebenslange Folgen davontragen können."

Riskante Partydroge

Lachgas-Kartuschen in einem Berliner Shop. Foto: Imago/Funke Foto Services

Das Narkosegas werde zunehmend genutzt, um die Stimmung aufzuhellen und Glücksgefühle und Halluzinationen bis hin zu Euphorie zu erzeugen, erklärt die DGN. Der Konsum steigt demnach insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel habe sich die Zahl der dem Landeskriminalamt bekannten Missbrauchsfälle von 2022 bis 2023 mehr als verdreifacht.

Dass der Konsum von Lachgas als Partydroge nicht ungefährlich ist, betont auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Bei häufigem Konsum könnten die inneren Organe und das Nervensystem Schaden nehmen. Bei einem zu hohen Anteil in der Atemluft drohe Bewusstlosigkeit. Beim Konsum direkt aus der Kartusche etwa könne die Lippe festfrieren, heißt es warnend auf der Internetseite drugcom.de.

Lachgas kann laut Bundesdrogenbeauftragten bei extensivem Konsum das Nervensystem dauerhaft und schwer schädigen. Und es kann zu akuten Lähmungen führen.

Narkosemittel in der Medizin

Lachgas wird etwa beim Zahnarzt als Arzneimittel (Inhalationsanästhetikum) eingesetzt. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Soweit Lachgas in der Medizin als Arzneimittel (Inhalationsanästhetikum), beispielsweise beim Zahnarzt oder während einer Geburt eingesetzt wird, unterliegt es dem Arzneimittelrecht und ist verschreibungspflichtig. Als Treibgas in Spraydosen und als Aufschäummittel in Sahnespenderkapseln ist das Lachgas für den privaten und gewerblichen Gebrauch verfügbar.

Gefährlich ist der DGN zufolge zum einen, dass die Kartuschen bei Verwendung bis zu minus 55 Grad kalt sind. Bei direkter Inhalation seien schwerste Verletzungen an Fingern oder Lippen möglich, aber auch Lungenrisse durch den hohen Druck des komprimierten, sich ausdehnenden Gases. Neurologen seien aber vor allem über die möglichen neurologischen Folgen besorgt. Sie reichten von Bewusstlosigkeit durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Lunge über Lähmungserscheinungen bis hin zu Hirnschäden.

Chronischer Konsum könne zudem einen B12-Mangel zur Folge haben, der wiederum schwere Blutbildstörungen verursache. Zudem seien neurologische Störungen wie die sogenannte funikuläre Myelose (Rückenmarkschaden) und periphere Neuropathie (Störung eines oder mehrerer Nerven des peripheren Nervensystems) möglich. "Wird der B12-Mangel nicht rechtzeitig erkannt, sind diese Folgen mitunter nicht mehr reversibel", heißt es in dem DGN-Bericht.

Langzeitschäden sind möglich

Auf einer Straße im Londoner Stadtteil Bethnal Green liegen mehrere Gaspatronen und ein Luftballon. Foto: dpa/Julia Kilian

„Im Grunde sagen wir: Alles ist möglich, beschafft euch das, werdet glücklich und habt viel Spaß“, unterstreicht Suchtexperte Heino Stöver von der University of Applied Sciences in Frankfurt am Main. Stöver kritisiert die fehlende Regulierung in Deutschland. Zudem werde hierzulande von Behördenseite kein Signal gesetzt.

Auch bei Lachgas seien Langzeitschäden wie eine geminderte Hirnentwicklung möglich. „Wir sollten alles daran setzen, Jugendliche davor zu schützen“, fordert Stöver. Beim Inhalieren von Lachgas – etwa direkt aus Kapseln oder aus Luftballons – tritt ein kurzer Rausch ein.

Die Botschaft der freien Verfügbarkeit müsse man einschränken und auf tatsächliche Gefahren hinweisen, so Stöver weiter. „Wir müssen vielleicht auch nicht sofort den Weg Großbritanniens oder der Niederlande einschlagen und alles verbieten. Vielleicht gibt es da einen Mittelweg.“ Es fehle an sachlicher Aufklärung, vor allem, wenn es um die Frage des sicheren Gebrauchs gehe. Konkret heißt das: Nicht mehr an unter 18-Jährige verkaufen, kleinere Größen einführen und nicht jede Größe frei erhältlich machen.

Vorsicht bei Mischkonsum

Um Risiken zu minimieren, sollte man generell auf Mischkonsum verzichten. Insbesondere sogenannte „Downer-Drogen“ wie GHB (Liquid Ecstasy), Alkohol und Opiate verstärken sich gegenseitig. Und das Risiko besteht, ohnmächtig zu werden oder zu erbrechen.

Lachgas wird häufig in Kombination mit Cannabis konsumiert. So soll der Lachgasrausch verlängert und der Cannabis-Rausch intensiviert werden. Das kann vor allem bei hohen Dosen gefährlich werden, da beide Substanzen den Blutdruck senken und sich somit das Risiko für eine Bewusstlosigkeit erhöht.

"Wir sehen in der Klinik immer mehr Menschen, die mit neurologischen Akut-, Subakut- oder Spätfolgen ärztlichen Rat suchen", erklärt Gereon Fink, Vorstandsmitglied der Deutschen Hirnstiftung und ehemaliger Präsident der DGN. "Den Lachgaskonsum erwähnen sie in der Regel bei Erstvorstellung nicht, wohl auch, weil die meisten gar keinen Zusammenhang herstellen, erst recht, wenn es sich um Spätfolgen handelt."

Lauterbach will rasch strengere Regeln für Lachgas

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will indens rasch für strengere Regeln sorgen, um den Verkauf von Lachgas als Partydroge besonders an junge Leute einzudämmen. „Wir werden schnell mit einer Regelung kommen“, sagte der SPD-Politiker am vergangenen Freitag (24. Mai) im ARD-„Morgenmagazin“. Als eine Möglichkeit nannte er den Vorschlag aus Niedersachsen, Lachgas in die Liste von psychoaktiven Stoffen aufzunehmen, mit dann sehr strengen Regeln für den Verkauf. „Wir gehen das jetzt sehr schnell an“, versicherte der Minister. 

Für die Zeit bis zu einer Regelung empfahl Lauterbach Eltern, ihre Kinder aufzuklären. „Das klingt lustig und ungefährlich. Ist es aber nicht“, warnte der SPD-Politiker. Bei regelmäßigem Konsum könnte es zu Unfällen oder gar neurologischen Schäden kommen. Auch bleibende Schäden seien nicht auszuschließen. „Für Kinder und Jugendliche ist das sehr gefährlich“, sagte Lauterbach. Ein Verbot hält der Minister nicht für möglich, weil Lachgas auch industriell genutzt werde.

Mediziner: „Das Problem ist, dass es unterschätzt wird“

Auch Mediziner fordern unterdessen harte Einschränkungen was die Verfügbarkeit von Lachgas angeht.. „Das Problem ist, dass es unterschätzt wird“, sagte etwa der Kölner Mediziner Volker Limmroth ebenfalls am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. Er ist Chefarzt der Klinik für Neurologie in Köln-Merheim. Es sei bislang legal, billig und verfügbar. „Selbst am Kiosk neben jeder Schule haben sie das inzwischen. Und das muss aufhören. Die Verfügbarkeit muss unterbrochen werden“, sagte er. „Ein Narkosemittel gehört nicht in den allgemeinen Verkauf, sondern das gehört in die Hände von Ärzten. Und nicht zwischen Gummibärchen.“

In Deutschland sind Verkauf und Konsum von Lachgas nicht verboten. Lachgas ist laut niedersächsischer Ärztekammer nicht als Droge nach dem Betäubungsmittelgesetz eingestuft. Es kann zum Beispiel in Sahnekapseln oder Kartuschen im Supermarkt, in Tabakläden oder im Internet gekauft werden. Andere Staaten haben gesetzliche Regelungen gegen den Missbrauch getroffen. In Großbritannien ist der Besitz von Lachgas seit Ende 2023 illegal, auch die Niederlande und Dänemark haben strenge Vorgaben. Frankreich hat den Verkauf an Minderjährige verboten.