Lockdowns, knappe Impfstoffe, zusammengebrochene Lieferketten: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schlecht die Menschheit auf globale Erkrankungen vorbereitet ist. Mit einem Pandemie-Abkommen will die Weltgemeinschaft Fehler solche künftig vermeiden. Doch die Verhandlungen gestalten sich äußerst schwierig.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Die Welt ist nach wie vor nur sehr unzureichend auf mögliche neue Gesundheitskrisen und Pandemien vorbereitet. Zu diesem Schluss kommt die unabhängige Beobachtungsstelle Gesundheits-Krisenvorsorge (Global Preparedness Monitoring Board, GPMB) in ihrem jüngst veröffentlichten Bericht.

 

Kaum Fortschritte bei Krisenprävention

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank hatten die GPMB im Jahr 2018 unter anderem als Reaktion auf einen verheerenden Ebola-Ausbruch in Westafrika eingerichtet. Die Beobachtungsstelle soll die Vorbereitungen auf dem Globus analysieren und Empfehlungen machen.

Im Zuge der Corona-Pandemie sei einiges getan worden, hält die GPMB fest. Aber manche Länder hätten ihre Vorkehrungen, um auf ähnliche Krisen schnell reagieren zu können, wieder zurückgefahren und in anderen Staaten gebe es kaum Fortschritte.

WHO will besser auf Pandemien vorbereitet sein

Die Corona-Pandemie hat das Leben der Menschen weltweit auf den Kopf gestellt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und deren 194 Mitgliedsländer wollen mit einem neuen internationalen Abkommen bei möglichen zukünftigen Pandemien besser gewappnet sein. Die Verhandlungen am Montag (29. April) in Genf gelten als letzter Versuch für eine Einigung. Worum es bei dem geplanten Pandemie-Abkommen geht.

Was soll das Abkommen genau regeln?

Die Forderungen waren umfangreich:

  • Dass mehr Impfstoffe für die Verteilung in armen Ländern reserviert werden.
  • Dass die Produktion von Impfstoffen ungeachtet von Patentregeln weltweit schnellstens angekurbelt werden kann.
  • Dass Pharmafirmen bei staatlicher Forschungsunterstützung einen Teil ihrer Produktion günstig abgeben.
  • Dass ein globales Lieferketten- und Logistiknetzwerk sicherstellt, dass jedes Land bekommt, was es braucht.
  • Dass Verträge über Material und Impfstoffe offengelegt werden, damit nicht der höchste Bieter das meiste bekommt, und vieles mehr.
Angehörige und städtische Mitarbeiter in Schutzanzügen begraben im April 2021 im indischen Gauhati den Leichnam einer Person, die an Covid-19 gestorben ist. Foto: AP/Anupam Nath/dpa

Welche Probleme gab es während der Corona-Pandemie?

Während der Corona-Pandemie wurden weltweit Fehler gemacht:

  • China etwa hat spät über das Virus informiert, manche Länder haben im Alleingang Reisebeschränkungen und Eindämmungsmaßnahmen beschlossen.
  • Lieferketten brachen zusammen, Regierungen machten sich Maskenpakete streitig.
  • Auch die Bundesregierung verhängte für zwei Wochen einen Exportstopp für Schutzausrüstung.
  • Als es endlich Impfstoff gab, rissen sich reiche Länder den Großteil unter den Nagel. Während vielerorts schon die zweite oder dritte Schutzimpfung verabreicht wurde, warteten ärmere Länder noch auf die erste Lieferung. Auch Indien, wo viel Impfstoff zum Export produziert wurde, erließ wegen eigener hoher Infektionszahlen plötzlich einen Exportstopp. Das alles sollte sich nicht wiederholen, das war die Ursprungsidee für das Abkommen.

Wie laufen die Verhandlungen?

Äußerst zäh. Ende März waren die Fronten völlig verhärtet. Deshalb liegt jetzt ein neuer Entwurf auf dem Tisch, der um ein Drittel auf 23 Seiten gekürzt wurde. Besonders umstrittene Details sollen nun erst im Laufe des Jahres geklärt werden. Organisationen und manche Länder protestieren, weil für sie wichtige Bestimmungen unter den Tisch gefallen sind. „Pessimismus ist eine Verhandlungstaktik, die sich die Welt echt nicht leisten kann“, sagt Michelle Childs von der Organisation Drugs for Neglected Diseases Initiative, die sich für Chancengleichheit für ärmere Länder einsetzt. Das Abkommen soll bei der WHO-Jahrestagung Ende Mai/Anfang Juni in Genf verabschiedet werden.

Wo hakt es?

Eine der großen Fragen des Pandemieabkommens: Wer zahlt neue Impfstoffe? Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Umstritten ist, ob und wie die Pharmaindustrie verpflichtet werden soll, Patente freizugeben und Know-how zur Herstellung von Impfstoff und Medikamenten mit anderen zu teilen. Der Pharmaverband IFPMA will nur freiwillige Vereinbarungen.

Ärmere Länder wollen sich nicht zu Pandemie-Vorsorge mit Investitionen verpflichten, wenn nicht klar ist, wie sie finanziell unterstützt werden. Umstritten ist, wie viel Diagnostika, Medikamente und Impfstoffe gratis oder günstig zur Verteilung in armen Ländern abgegeben werden sollen.

Weil China internationalen Experten auf der Suche nach dem Ursprung des Virus monatelang die Einreise verweigerte, wollten manche eine Regelung, die so etwas künftig verhindert.

Übernimmt die WHO mit dem Abkommen die Welt-Regie bei Pandemien?

Das Abkommen tritt nur in den Ländern in Kraft, deren Parlamente es ratifizieren. Regierungen würden damit zwar Verpflichtungen eingehen, aber es gibt keine Sanktionen. Wahrscheinlich müssen Länder sich nur gegenseitig regelmäßig Bericht erstatten, was auf diese Weise Druck aufbauen soll.

Explizit steht im jüngsten Entwurf, das nichts in dem Abkommen so interpretiert werden dürfe, dass die WHO die Macht erhält, Ländern Lockdowns, Impfungen oder Reisebeschränkungen vorzuschreiben. Das Bundesgesundheitsministerium schrieb auf eine kritische Petition im September 2023 hin: „Durch den Pandemie-Vertrag der WHO werden weder die Grundrechte noch die Menschenrechte eingeschränkt.“

Geht es bei dem Abkommen vor allem um Gerechtigkeit für ärmere Länder?

Nein. Es hat Nutzen für die Menschen weltweit. Wenn eine Pandemie in allen Ländern besser gemanagt wird, kann sich ein Virus im besten Fall gar nicht so stark ausbreiten. Dann wären nicht so drastische Einschränkungen nötig wie in der Corona-Pandemie.

Zudem soll die WHO ein Lieferketten-Netzwerk aufbauen, damit im Pandemiefall alle Länder das Material schnell bekommen, das sie brauchen, und nirgends Schutzausrüstung oder anderes Material knapp wird.