In Deutschland werden noch immer viele Überstunden geleistet – aber weniger als früher. Das ist eine gute Nachricht, findet unsere Korrespondentin Rebekka Wiese.

Berliner Büro: Rebekka Wiese (rew)

In Deutschland werden weniger Überstunden geleistet als früher – auch wenn es trotzdem viele sind. 1,3 Milliarden Stunden waren es im vergangenen Jahr, mehr als die Hälfte davon unbezahlt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor. 1,3 Milliarden Überstunden sind zwar mehr als im Pandemiejahr 2020. Aber schaut man auf die vergangenen zwanzig Jahre, kann man sehen: Insgesamt nimmt die Mehrarbeit ab.

 

Das ist eigentlich eine gute Nachricht. Doch hört man manchen Politikern, Soziologen oder Arbeitgebern zu, könnte man nun glauben, die Deutschen seien faul geworden. Geht es nach Finanzminister Christian Lindner (FDP), sollen Überstunden sogar steuerfrei werden. Die Idee: Wenn mehr für die Beschäftigten herausspringt, arbeiten sie länger. Doch das ist ein falscher Ansatz. Überstunden dürfen nicht die Antwort auf die Wirtschaftskrise sein.

Wer sich um Kinder kümmert, kann nicht länger im Büro bleiben

Dass die Überstunden sinken, bedeutet nicht, dass weniger gearbeitet wird. Im Gegenteil sogar: Im vergangenen Jahre leisteten die Beschäftigten in Deutschland 55 Milliarden Stunden Erwerbsarbeit. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Denn es sind mehr Menschen erwerbstätig als früher – vor allem mehr Frauen. Diese Gruppe übernimmt allerdings auch noch immer den größten Teil der Sorgearbeit. Ob bezahlt, unbezahlt oder steuerfrei: Wer sich um Haushalt und Kinder kümmert, kann es sich ohnehin nicht erlauben, länger im Büro zu bleiben.

Gegen mehr Überstunden spricht auch, dass sie langfristig krank machen. In manchen Berufen und Lebensphasen gehören sie zwar leider dazu. Zum Ziel setzen sollte sie aber niemand. Viele Arbeitnehmer wissen: Wenn Personal fehlt und andere dafür einspringen, fallen diese nach einiger Zeit oft selbst aus. Wenn in Deutschland mehr gearbeitet werden soll, braucht es nicht mehr Überstunden. Sondern mehr Beschäftigte.