Die Karstadt-Krise betrifft nicht nur Manager und Personal, sondern alle.

Die Zeiten sind unruhig, im Großen wie im Kleinen. Denn auch Probleme vor Ort können von existenzieller Natur sein. Seit fast zwei Wochen bangen die Beschäftigten der Warenhauskette Galeria, zu dem die Marken Karstadt und Kaufhof gehören, um ihren Arbeitsplatz – wieder einmal. Die meisten sind Frauen. Würden sie ihren Job verlieren, hätte es für viele gravierende Folgen. In Leonberg hat die Belegschaft mit dieser Belastung eine gewisse Routine. Schon vor zweieinhalb Jahren stand es Spitz auf Knopf. Damals konnte die Filiale im Leo-Center am Ende gerettet werden.

 

Ob es diesmal wieder gut ausgeht, ist völlig offen. Zumal nicht klar ist , welche Standorte betroffen sind. Und was bedeutet überhaupt „gut“? Viele Experten sagen, dass das Konzept der Warenhäuser überholt ist. Wäre da nicht ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende?

Abertausende Zusatzkilometer

Andererseits: Für die Zentren ist der Wegfall von Kaufhäusern fatal, sind sie doch immer noch Magneten. Schon jetzt kämpfen die Städte, auch sehr große, mit zunehmenden Leerständen. In Leonberg lässt sich das im Leo-Center wie unter einem Brennglas beobachten. Der Einzelhandel hat sich von Corona längst nicht erholt, das Online-Geschäft boomt. Dass dabei Abertausende Transportkilometer gefahren werden, die sonst nicht anfielen, spielt bei vielen Online-Kunden offenbar keine Rolle.

Es hat also durchaus eine ökologische Dimension, wenn es darum geht, den Handel in den Städten zu stärken. Wer im Geschäft alles findet und gut beraten wird, braucht keine Online-Lieferung. Nicht zu vergessen ist zudem der soziale Aspekt. Zentren, ob nun überdacht wie im Leo-Center, oder unter freiem Himmel, sind Orte der Begegnung und der Kommunikation.

Es spricht also sehr viel dafür, die Entwicklung des Handels im Allgemeinen und der Warenhäuser im Besonderen nicht gleichgültig hinzunehmen. Gefragt sind vor allem die Manager. Kaufhäuser kommen in ihrer Präsentation oft recht hausbacken daher. Etwas mehr Erlebnis darf es schon sein.

Gefragt sind zudem die Kommunalpolitiker. Attraktive Innenstädte mit hoher Aufenthaltsqualität funktionieren. Autos sind da äußerst selten zu finden. Insofern liegt der Leonberger Oberbürgermeister mit seiner Vision einer „Stadt für morgen“ grundsätzlich richtig. Aber die Qualität macht sich nicht nur an zurückgebauten Straßen und vielen Radwegen fest. Da bedarf es eines Gesamtkonzepts. In einer auseinandergerissenen Innenstadt wie Leonberg eine diffizile wie langwierige Aufgabenstellung.

Guter Draht ins Rathaus wichtig

Daher muss es erst einmal darum gehen, dem Leo-Center verloren gegangenen Glanz zurückzugeben. Die Stadt hat darauf formal keinen Einfluss, ist doch die Ladenpassage sozusagen exterritoriales Gebiet und kein öffentlicher Raum. Doch dem Betreiberkonzern ECE sollte an einem guten Draht zum Rathaus gelegen sein. Hoffnung macht, dass die Centermanagerin Nadine Fensterer sich nun nicht mehr um zwei Häuser gleichzeitig kümmern muss, sondern wieder voll und ganz auf Leonberg konzentrieren kann.

ECE wäre zudem gut beraten, eine Lösung mit Galeria zu finden. Karstadt ist und bleibt ein Frequenzbringer. Verständigen sich beide Seiten, profitieren letztlich beide davon. Auch hier hat die Politik keinen direkten Einfluss, hörbare „Begleitmusik“ schadet freilich nicht. Die wichtigsten Akteure sind und bleiben aber die Kunden. Desto mehr kommen, desto besser kann sich der Handel nicht nur halten, sondern auch weiterentwickeln. Und das ist im Interesse von uns allen.