In den Felsnischen bei Überlingen am Bodenseee haben sich erstmals wieder Waldrappe eingenistet – dank Attrappen aus dem 3-D-Drucker.

Wer am Bodensee von Sipplingen nach Überlingen fährt, sieht hoch oben in den Kalksteinfelsen Nester. Auf den aus Zweigen gebauten Konstruktionen sitzen zwei schwarze Vögel. Auffällig ist ihr langer roter Schnabel. Wer genau hinschaut, entdeckt jedoch, dass sich die beiden nicht bewegen – egal, ob es regnet, stürmt oder die Sonne scheint. „Das sind Attrappen aus dem 3-D-Drucker“, erklärt Anne-Gabriela Schmalstieg, Mitarbeiterin des Waldrapp-Teams der Kolonie in Überlingen. Die Lockvögel sollen die Aufmerksamkeit der Waldrappe auf sich ziehen, die in der Nähe zwischen 2017 und 2019 von Ziehmüttern aufgezogen wurden, um die im 17. Jahrhundert ausgerotteten Vögel wieder anzusiedeln. Solche Attrappen haben sich in der Verhaltensbiologie bewährt und scheinen auch bei den Koloniebrütern, zu denen die Waldrappe zählen, funktioniert zu haben.

 

Elf Waldrappe leben bei Überlingen

Zwar kamen bereits in den beiden letzten Jahren Waldrappe aus ihrem Winterdomizil in der Toskana zurück an den Bodensee, aber sie verschmähten die natürlichen Kalksteinwände. Dafür bauten sie ihre Nester in einer künstlich erstellten Brutwand im nahen Hödingen. Dank der Attrappen sind in diesem Jahr bereits elf Waldrappe wieder in die Felsnischen gezogen, in denen sie wohl auch schon in früheren Zeiten gebrütet haben. Die Felswand bietet gute Bedingungen für den Nestbau, und dank der nachhaltigen und biologischen Bewirtschaftung der Flächen im Hinterland stehen den Vögeln hochwertige Nahrungsquellen zur Verfügung.

EU finanziert das Artenschutzprojekt

„In den Kalksteinfelsen haben sich vier weibliche und sieben männliche Tiere niedergelassen“, weiß Anne-Gabriela Schmalstieg. Die Vögel tragen Sender, und ihre Routen können mittels der App Animal Tracker nachverfolgt werden. Jetzt bleibt zu hoffen, dass sich die Vögel paaren und nach der Eiablage zu brüten beginnen.

350 Waldrappe sollen es bis Ende des Projekts sein, das bis 2028 durch die Europäische Union im Rahmen des Life Programms („L’Instrument Financier pour l’Environnement“) finanziert wird. Erst eine stabile Anzahl Waldrappe sichert ihr Überleben in der Natur – ohne menschliche Unterstützung. An drei Standorten, neben Überlingen gibt es zwei weitere in Österreich, werden in Camps Waldrappküken per Hand aufgezogen. Sie lernen von ihren menschlichen Ziehmüttern alles, was sie zum Überleben brauchen – einschließlich des Fliegens. Im Herbst folgen die Waldrappe aus den Camps dann Ultraleichtflugzeugen, die sie ins Winterquartier in Italien und Spanien führen. Spätestens nach drei Jahren sind die Vögel geschlechtsreif und kommen in ihre Heimat zurück.

Wiederansiedlung der Vögel

Erfolgreiches S

chutzprojekt
Die Wiederansiedlung der Waldrappe ist eines der größten und erfolgreichsten Artenschutzprojekte in Europa. Es wird von der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen des „LIFE-Programms“ sowie einiger Partner unterstützt. Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen des Projekts. Aber auch Stromschläge durch Mittelspannungsfreileitungen sind eine Gefahr für alle Zugvögel. Diese Leitungen zu sichern, ist zumindest seit Anfang 2000 in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben.