Wie verhält man sich, wenn einem jemand erzählt, er habe sexualisierte Gewalt erfahren? Hier die Ratschläge der Stuttgarter Hochschulseelsorgerin Schwester Marie-Pasquale Reuver.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Jeder Siebte hat in Deutschland in irgendeiner Weise sexualisierte Gewalt erlebt. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in einer zehnköpfigen Gruppe mit Kommunionskindern ein bis zwei Jungen oder Mädchen betroffen sind. In einem Chor mit 30 Mitgliedern sind es potenziell schon fünf oder sechs Sängerinnen oder Sänger. Und in einem Seniorenausflug mit 50 Frauen sind es acht bis zehn Betroffene. Die Dimension ist also riesig.

 

Wie geht man mit Betroffenen um? Die Stuttgarter Hochschulseelsorgerin Schwester Marie-Pasquale Reuver hat ein Buch („Missbrauchsbetroffenen in Kirche und Gemeinde sensibel begegnen“, Patmos-Verlag) zu diesem Thema geschrieben. Darin gibt sie Empfehlungen, wie man sich verhalten soll.

Nicht verstummen

Wer schweigt, wenn jemand endlich den Mut hat, sich mitzuteilen, verstärkt eher das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Immer ist es besser zu reden, notfalls auch von der eigenen Unsicherheit mit dem Thema, als zu schweigen.

Das Unrecht benennen

Es tue Betroffenen gut, wenn man sage, dass das, was geschehen ist, Unrecht sei, rät die Seelsorgerin. Nicht „Er hat mit dir geschlafen“ sondern „Er hat dich vergewaltigt“ heißt das dann.

Grenzen achten

Man solle nicht versuchen, jemanden zu etwas zu überreden. Ein Nein muss unbedingt respektiert werden. Vorsicht auch vor Umarmungen. Immer vorher fragen, ob es den Betroffenen auch recht ist.

Der Betroffene ist mehr als der Missbrauch

Das Erlebte ist nur ein Teil der Persönlichkeit des anderen. Er hat andere Fähigkeiten und Talente. Die gilt es, nicht zu vergessen.

Auf Hilfsangebote hinweisen

Zu helfen kann auch bedeuten, gemeinsam nach Adressen von Beratungsstellen oder Therapeuten zu suchen. Rund um die Uhr ist etwa das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen unter der Nummer 0800/116016) besetzt. Es ist auch unter www.hilfstelefon.de erreichbar. Für betroffene Frauen im kirchlichen Bereich in Trägerschaft der Deutschen Bischofskonferenz gibt es das Angebot kostenloser und anonymer Beratung bei geistlichem und sexuellem Missbrauch unter www.gegenGewalt-anFrauen-inKirche.de

Wieder Alltag werden lassen

Nach einer solch intensiven Begegnung ist es gut, wenn der Alltag wieder spürbar wird. Vielleicht ja bei einem gemeinsamen Eis.