Reisegrund Solidarität! Das gilt für eine private Israel-Reise, die der in Stuttgart tätige Manager Martin Lösch jüngst unternommen hat. Nach seiner Rückkehr sortiert er die vielen bleibenden Eindrücke.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Martin Lösch ist zurück. Doch in Gedanken ist er noch dort: in Israel, dem seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober in Teilen verwandelten Land. Zusammen mit sieben Mitreisenden war er Ende Mai zu einer einwöchigen Israelreise aufgebrochen – entgegen der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes und trotz der Bedenken der Evangelischen Kirchengemeinde Schönaich, unter deren Dach die Reise ursprünglich stattfinden sollte.

 

Lösch, der als Partner bei einer großen Unternehmensberatung in Stuttgart arbeitet und sich – „aus historischer Verantwortung heraus“ – privat in der deutsch-israelischen und jüdisch-christlichen Freundschaftsarbeit engagiert, hielt an dem Vorhaben fest. Er wollte sich selbst ein Bild davon machen, wie die Menschen in Israel mit dem Erlebten umgehen und ein kleines, persönliches Zeichen der Solidarität setzen.

In den Hotels waren sie oftmals die einzigen Gäste

Der 57-Jährige hat reichlich Israelerfahrung. In den vergangenen 20 Jahren war er rund ein Dutzend mal dort. Nun wollte er gezielt Orte aufsuchen, die mit dem Terrorangriff in Zusammenhang stehen und mit den Menschen reden. Begleitet und geführt wurde die kleine Gruppe von dem in Stuttgart aufgewachsenen Uriel Kashi, Sohn von Michael Kashi, dem Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg. In den Hotels, in denen sie übernachteten, waren sie oft die einzigen Gäste. Umso mehr hätten sich die Hoteliers über ihren Besuch gefreut.

Die Gruppe bereiste die Gegend rund um den Gaza-Streifen, besuchte ein zerstörtes Kibbuz und den ebenfalls zerstörten Zikkim-Beach bei der Stadt Ashkelon, nur drei Kilometer vom Gaza-Streifen entfernt. Auch Jerusalem und Tel Aviv, wo während ihres Besuchs Raketenalarm herrschte. Zu den Orten, die sie aufsuchten, gehörte auch das Nova-Festivalgelände unweit des Gazastreifens. Dorthin hatten Drachenflieger der Hamas am 7. Oktober die Terroristen am Boden gelenkt. In den folgenden Stunden wurden mehr als 260 meist junge Festivalbesucher ermordet. Ein surrealer Eindruck“, sagt Lösch: „Die Sonne schien, gleichzeitig kreisten die Gedanken um den Horror des 7. Oktober.“ Er bekam eine Vorstellung davon, „wie schutzlos die Menschen dort gewesen sein müssen“, denn das Gelände biete keinerlei Möglichkeiten, sich zu verstecken.

Eindrückliche Begegnung mit Holocaust-Überlebenden

Lösch und die Mitreisenden führten viele Gespräche. Etwa mit Arye Sharuz Shalicar, einem in Berlin aufgewachsenen Juden, der Sprecher der israelischen Armee ist. Sie trafen Überlebende der Kibbuz-Attacken, unterhielten sich mit befreiten Geiseln, dem Bürgermeister von Ashkelon, einer Islamwissenschaftlerin und einem Forscher der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem – ein dichtes Programm, vermittelt durch die israelische Wohltätigkeitsorganisation Keren Hayesod, der Lösch seit längerem verbunden ist. So kam auch der Besuch des animal assisted therapy centers zustande, wo Terroropfer und deren Angehörige mit Hilfe von Tieren therapiert werden, oder das Treffen mit jungen Soldatinnen einer Iron-Dome-Batterie der Flugabwehr.

Sein Kopf sei „voll von Eindrücken“, berichtet Lösch nach seiner Rückkehr. Zu den eindrücklichsten gehört eine Begegnung mit fünf Holocaustüberlebenden. „Große Dankbarkeit“ sei ihnen für den Solidaritätsbesuch entgegengebracht worden, sagt er. „Eine der Frauen fragte uns, warum denn die wenigen Juden seit Jahrtausenden gehasst und verfolgt werden?“ Diese Frage lässt ihn nicht mehr los. Der 7. Oktober wirke auf diese Menschen traumatisch, erklärt Lösch: „Die Frau berichtete, dass sie seit jenem Tag wieder jede Nacht von den Albträumen der Vergangenheit geplagt wird.“ Ihre gesamte Familie war von den Nazis ausgelöscht worden.

„Die Menschen lassen sich nicht unterkriegen“

Auch ganz anders gelagerte Eindrücke nahm die Gruppe aus Israel mit – Eindrücke von prallem Leben, von Unbeirrbarkeit und Resilienz. Beeindruckt registrierten sie: „Die Menschen lassen sich nicht unterkriegen.“ Und was bekamen die Reisenden von der Not der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen mit? Nichts, was über die allgemeinen Nachrichten hinaus gehen würde. „Ein Besuch dort war unmöglich“, sagt Lösch.

Am Ende stand bei ihm die Erkenntnis, „wie wichtig es ist, sich gerade jetzt mit den Menschen in Israel auszutauschen.“ Deshalb wird er wieder dorthin reisen. Der Termin steht bereits fest: Mai 2025. Mehr als 40 Interessierte hätten sich schon gemeldet.