Der H&M-Konzern ist durch zunehmende Einkäufe im Internet stark unter Druck gekommen, der Aktienkurs ist eingebrochen. Nun sollen neue Verkaufskonzepte die Wende bringen.

Stockholm - Die Schlange bei der Eröffnung des neuen H&M-Ablegers Afound in der Stockholmer Innenstadt war riesig. Selbst der H&M-Erbe und Konzernchef Karl-Johan Persson strich durch die Verkaufsräume, um zu sehen, wie die Kunden auf sein neues Konzept reagieren. Für ihn steht viel auf dem Spiel. Was er sich für Afound ausgedacht hat, ist im H&M-Imperium neu. Es gibt Eigenmarken wie COS, aber vor allem exklusive Fremdmarken. Die Waren werden nicht nur im Laden, sondern – bisher nur in Schweden – auch im Internet verkauft. Das Wichtigste: Die Preise sind zwischen zehn und 70 Prozent reduziert.

 

Direkt neben Afound eröffnete H&M vor zwei Wochen auch die neue Kette Arket. Wie COS bietet sie Premiumkleidung und Accessoires an, aber auch Küchengeschirr zu moderaten Preisen. Hier gibt es auch ein sehr trendiges Café. H&M will so Kunden, die ins Internet abgewandert sind, etwas mehr als nur Kleiderstangen bieten, um sie wieder in die Läden zu locken. Gleichzeitig werden die beiden neuen Marken Arket und Afound intensiv online vermarktet.

Die H&M-Aktie ist eingebrochen

Wird das den schwedischen Textilkonzern aus der Krise führen? H&M muss trotz seiner weltweiten Größe etwas tun, um langfristig zu überleben. Die Umsätze sinken vor allem wegen der Online-Konkurrenz, aber auch wegen falschen Entscheidungen beim Modedesign und Problemen bei der flexiblen und schnellen Zulieferung aus fernen Produktionsländern wie Bangladesch.

Die H&M-Aktie, deren Kurs in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 zeitweise bei 364 Kronen lag, notierte am Freitag bei 134 Kronen – ein Minus von 63 Prozent. Eine Erholung des Aktienkurses erwartet der US-Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg nicht, obwohl die Aktie mit einer relativ hohen Ausschüttung von 9,75 Kronen lockt. Konzernchef Persson sieht das nicht ganz so düster: „Wir haben eine Phase gehabt, etwa zwei Jahre, in der wir nicht unseren Erwartungen und den Erwartungen des Marktes entsprochen haben, und da sinkt der Kurs. Ich fühle mich aber sehr sicher, dass wir mit den eingeleiteten Maßnahmen eine gute Geschäftsentwicklung haben werden“, sagte Persson in einem Interview mit unserer Zeitung. Das Unternehmen könne alle Bereiche verbessern, schneller und flexibler in der Warenversorgungskette werden.

Analysten sind skeptisch. „Das Unternehmen hat eine fantastische Geschichte. Aber H&M steckt in seiner schlimmsten Krise überhaupt, und nun hat man Schwierigkeiten, das Schiff wieder zu wenden“, kommentiert Claes Hemberg von der Onlinebank Avanza. Zu lange habe sich das Textilunternehmen auf den Ausbau des Filialnetzes konzentriert, statt das Onlinegeschäft und die Zuliefererkette zu verbessern.

Neue Marken sind teuer

Inzwischen setzt der schwedische Konzern verstärkt auf seine Internetpräsenz. Doch die neuen Handelsformate überzeugen unabhängige Fachleute wie den Markenstrategieexperten Henrik Uggla nur teilweise. Er ist Professor an der Königlich Technischen Hochschule (KTH) in Stockholm. „Es kann als Verzweiflungstat aufgefasst werden, noch weitere Marken zu gründen, so als ob man von seiner Kernmarke fliehen möchte“, sagte er dem Wirtschaftsblatt „DI“.

„Es ist unerhört teuer, ständig neue Marken zu erschaffen, die unterhalten werden müssen. Der Konzern sollte darauf achten, dass dies nicht zu Kapitalmangel von bereits existierenden Teilen der H&M-Gruppe führt“, so Uggla. Weil die unter Marktsättigung leidende Hauptmarke H&M „etwas müde“ wirke, wolle man mit den neuen Konzepten etwas schaffen, was Kunden mit Zukunft und Luxus verbinden, lautet seine Einschätzung.

Von den vielen neuen H&M-Formaten hätten allerdings zumindest ein paar wirklich das Potenzial erfolgreich zu sein, glaubt Uggla. Dazu gehöre auch der neue Ableger Afound. Mit dieser Marke könnten die Schweden den deutschen Internethändler Zalando herausfordern. Afound könnte, wenn die Marke geschickt eingeführt wird, noch größer werden als Zalando, meint der Professor. „Das ist smart, es ist strategisch richtig, aber es bleibt abzuwarten, ob sie es rechtzeitig schaffen. Sie haben die Zeit gegen sich“, so Uggla gegenüber der Zeitschrift „VA“.