Das Bürgergeld und Hartz IV sind sich ähnlicher, als viele denken. Im deutschen Sozialstaat muss einiges besser werden – aber die Debatte zielt oft am Thema vorbei, kommentiert unser Hauptstadtkorrespondent Tobias Peter.

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Viele Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sind frustriert und wütend darüber, dass – trotz harter Arbeit – oft wenig zum Leben übrig bleibt. Alle leiden unter der Inflation. Wer ein mittleres Einkommen hat, würde sich mehr Netto vom Brutto wünschen. Und dem deutschen Sozialstaat gelingt es in seiner Komplexität im Einzelfall schon mal, dass eine Gehaltserhöhung ein Minus für das Familienbudget bedeutet.

 

An all dem etwas zu ändern, ist politische Schwerstarbeit. Die Ampel als lagerübergreifende Koalition blockiert sich schon in der Steuerpolitik fortwährend selbst. Sie kann nur bedingt Lösungen liefern. Für die oppositionelle Union und die – immer stärker als Oppositionskraft in der Regierung agierende – FDP ist es attraktiver, auf populistischen Punktgewinn zu zielen, statt bis zum Ende gedachte Konzepte vorzulegen. Sie wissen: Die Debatte über das Bürgergeld berührt bei vielen Menschen Triggerpunkte – erst recht, wenn es um Geflüchtete geht.

Der Kern ist Qualifikation

Hartz IV war vielen verhasst, weil es als der Inbegriff der Respektlosigkeit des Staates gegenüber der Lebensleistung von Menschen galt. Das Bürgergeld dagegen ist für viele ein Synonym dafür, dass man es Menschen, die keinen Job haben, zu einfach mache. Das Bemerkenswerte ist: Die Unterschiede zwischen Hartz IV und Bürgergeld sind gar nicht so groß. Der Kern der Bürgergeldreform war, dass Aus- und Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen stärker ins Zentrum rücken sollte. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels nach wie vor ein richtiger Gedanke. Zum Start war das Bürgergeld laxer im Umgang mit Sanktionen als Hartz IV. Doch hier ist bereits erheblich nachgeschärft worden.

Ist das Bürgergeld zu hoch? Jede Politikerin und jeder Politiker sollten ehrlich sagen: Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts setzt für Änderungen enge Grenzen. Das Existenzminimum muss gesichert sein. Ampel und Union haben gemeinsam geändert, wie der Regelsatz berechnet wird. Der Grund: Die Inflation wurde vorher mit erheblicher Verspätung ausgeglichen – so konnte es in Zeiten rasanter Preissteigerungen nicht bleiben. Die Verfassung schreibt nicht eine bestimmte Formel für die Berechnung des Regelsatzes vor. Würde die aktuelle geändert, dürfte das Ergebnis aber nicht weit vom bisherigen abweichen. Es ergibt auch keinen Sinn, jedes Jahr die Berechnungsmethode zu ändern – je nachdem, wie gerade die politische Debatte verläuft. Wie lässt sich also die Akzeptanz des Bürgergelds erhöhen? Die aus der SPD forcierte Idee, Schwarzarbeit und Sozialbetrug stärker zu sanktionieren, ist richtig. Wer Bürgergeld bezieht und nebenher schwarzarbeitet, betrügt die Allgemeinheit. Das ist inakzeptabel. Gleichzeitig gilt: Jede erfolgreiche Vermittlung in Arbeit hilft. Totalverweigerern kann nun zwei Monate das Bürgergeld gestrichen werden. Das ist richtig so. Richtig ist aber auch: Die Zahl dieser Menschen ist sehr gering.

Eine absurde Begründung

Viele Menschen beschäftigt mit Recht die Frage, ob die Arbeitsmarktintegration der Ukrainer nicht schneller gelingen könnte. Wenn FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai jedoch vorschlägt, neu ankommende Kriegsflüchtlinge sollten kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, liegt er grundfalsch. Seine Begründung, dadurch solle für die Menschen ein Anreiz geschaffen werden, sich Arbeit zu suchen, ist absurd. Der Vorteil, wenn die Ukrainer im Bürgergeld sind, ist ja gerade, dass sie unmittelbar arbeiten dürfen und vermittelt werden können. Das muss Deutschland jetzt noch besser hinbekommen. Unwissenheit und Unsinn prägen die Debatte über das Bürgergeld. Das hilft nicht weiter – auch wenn im Sozialstaat noch einiges besser werden kann.