Mehr Besucher, mehr Möbel, mehr Inspiration: Der Salone del Mobile bleibt die größte und wichtigste Messe ihrer Art. architare Geschäftsführerin Barbara Benz teilt ihre Entdeckungen und Trendprognosen. 

Die größte Möbelmesse der Welt hat nicht nur zu alter Größe zurückgefunden, sie bricht sogar neue Rekorde: Mehr als 361.000 Besucher strömen beim offiziellen Salone del Mobile 2024 durch die Messehallen in Rho Fiera. Mindestens genauso viele oder mehr schlängelten sich durch die Showrooms, Palazzi und Villen in den Design Districts der Innenstadt – zusammengefasst unter dem Namen „Fuorisalone“. In Mailand geht es eben nicht nur um Fashion. Einmal im Jahr schlägt hier das Herz des italienischen sowie internationalen Möbeldesigns und die ganze Welt kommt zusammen, um es zu feiern. Auch architare-Geschäftsführerin Barbara Benz war mit ihrem Team vor Ort und fasst hier die wichtigsten Entdeckungen und Trends zusammen.

 

Über-Trend beim Salone del Mobile 2024: Nachhaltiges Handwerk

Es ist ein Fakt: Ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Stuhl. Wirklich neuartige Formen sieht man im Möbeldesign nur selten. Und das muss gar nicht sein. Was einen guten Entwurf vom nächsten unterscheidet, ist der Anspruch an seine Fertigung, an das Material, die Oberfläche, die Technik. Wo früher Gruppierungen wie Memphis noch mit rein ästhetischen Mitteln die gute Form infrage stellten, findet Radikalität heute häufig in der Reduktion statt. Stuhl „Osuu“ von Foster + Partners für Walter Knoll etwa kommt mit minimalem Materialaufwand aus. Das Design gibt sich auf den ersten Blick schlicht und doch wohnt den von Hand gebogenen, filigranen Holzelementen eine visuelle Poesie inne.

Comeback: die 70er Jahre und ihre Pop-Kultur

Organische, weiche Formen sind schon länger wieder en vogue. Vor allem Sofas, die ganz ohne Ecken oder Kanten auskommen und damit der Inbegriff eines Centerpiece sind, waren bei vielen Messeständen und Showrooms zu sehen – so elegant wie farbig etwa bei Moroso. Ebenso rund, schön und mit nachhaltigem Kern: Patricia Urquiolas komplett mit Stoff bespanntes Design „Dudet“ für Cassina, das in einer Low Dining Variante vorgestellt wurde.

Die Formen und Farben einer bewegten Ära

Doch das Bekenntnis zur Formensprache der 70er ist auch eine Frage der Größe. „COR, B&B Italia oder Muuto präsentierten zum Teil riesige Schaumstoff-Stofas. Meiner Meinung nach die gekonnte Gegenthese zur Reduktion auf allen Ebenen“, stellt Barbara Benz von architare fest. Dazu passend sah man mehr langfransige Fellbezüge auf Sesseln, Poufs und Kissen als je zuvor. Der in den vergangenen Jahren omnipräsente Bouclé dagegen scheint sich wieder zurückzuziehen. Weitere Materialien, die den 70ies Trend ausformulieren: Oberflächen aus farbigem Marmor oder Hochglanzlack, Leder, viel Chrom und Teppichböden, die im Messestand von Minotti sogar die Wände kleideten.

Neue Nuancen auf dem Salone del Mobile 2024

Den größten Hype um eine Farbe kreierte in diesem Jahr, na klar, ein Fashionlabel. Unter dem Titel „Design Ancora“ tauchte Gucci fünf Ikonen des italienischen Möbeldesigns von Marken wie Acerbis, CC-Tapis oder Tacchini in ein tiefes Weinrot und stellte es einer grellgrünen Showarchitektur entgegen. Doch auch Farbtöne, die erdigen, trockenen Landschaften gleichen, sind weiterhin präsent – allen voran Terrakotta. Baxter beeindruckte mit seinem „House of Clay“ – einem Messestand gebaut als traditionelles, rundes Lehmhaus.

Gegensätzlich, aber ebenso deutlich scheint, dass Chrom, egal ob poliert oder gebürstet, Messing als beliebtestes Metall ablöst. In jungen Designspaces wie der Villa Borsani, die in diesem Jahr zum progressiven Ausstellungskonzept „Alcova“ gehörte und vor der sich den ganzen Tag lang endlose Schlangen bildeten, wurde das Material von den Newcomern Supaform oder Kiki Goti bisweilen archaisch präsentiert.

Das Wunder von Mailand: Nicht nur die Großen schaffen es

Die wohl wertvollste Errungenschaft dieser Designwoche ist, dass sich hier nicht nur nahezu jede Möbelmarke, die etwas auf sich hält und halten darf, präsentiert. Auch junge Designer haben immer wieder die Chance, ihr Talent auf den Prüfstand zu stellen. Allen voran der für Jungdesigner reservierte Salone Satellite, der nun zum 25. Mal auf dem Salone del Mobile Messegelände stattfand und zum Jubiläum zusätzlich die Ausstellung „Universo Satellite“ in der renommierten Triennale di Milano kuratierte.

Doch auch in der ganzen Stadt verstreut konnte man mehr über die Arbeit der jungen Wilden erfahren. „Ich habe mir die Hacken abgelaufen“, sagt architare-Trendspotterin Barbara Benz zufrieden. Besonders imponierten ihr dabei die Kooperationen des dänischen Textillabels Kvadrat oder Delvis Unlimited, das in Zusammenarbeit mit dem Maler Robert Janitz und der Berliner Galerie König eine Brücke zwischen Kunst und Design schlug.

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