In der Region Stuttgart leben Menschen aus allen Ländern, deren Mannschaften zur Fußball-EM in der Landeshauptstadt spielen. In unserer Serie erzählen sie über sich und ihre EM-Wünsche. Heute: Gülperi Altan (30) aus Dänemark.

Schicksal, Kismet, Vorhersehung, Bestimmung. Wie man immer es auch nennen mag, aber vor fünf Jahren glaubten weder Eren (33) noch Gülperi Altan (30), dass sie mal gemeinsam ein Lokal in Stuttgart betreiben würden. Eren Altan lebte damals in Schwäbisch Gmünd, arbeitete als Vertriebsleiter für einen Mittelständler; Gülperi Altan lebte in Kopenhagen, arbeitete beim Finanzamt. Dann flogen sie beide in Urlaub, in die Türkei, die Heimat ihrer Vorfahren, lernten sich kennen – nun sind sie verheiratet und betreiben in der Gloria-Passage das Hygge, einstmals bekannt als Café Le Theatre.

 

No net huddla

Hygge? Na klar, da steckt eine gute Portion Dänemark drin. Hygge heißt gelassen, heimelig und ist mittlerweile ein Synonym für die dänische Lebensweise. No net huddla, würde der Schwabe sagen. Wobei das als Lebensmotto für die beiden nicht zutrifft. Eren Altans Opa kam in den 60er Jahren als Gastarbeiter zu Opel nach Rüsselsheim, die Familie zog nach Gmünd, dort kam Eren zur Welt, er absolvierte ein duales Studium, schaffte sich als Ingenieur zum Vertriebsleiter hoch, verkaufte in der ganzen Welt Verpackungsmaschinen für Schokolade. Wer also mal einen Osterhasen isst, der wurde vermutlich von so einer Maschine angezogen. „Dann wollte ich was Neues machen“, sagt er, „und den Vertrag für die Übernahme vom Café Le Theatre unterschrieb ich, als der erste Corona-Fall in Deutschland bekannt wurde.“

Der Papa ging zum Schiffebauen nach Dänemark

Damals dachte er noch, er würde das Café allein betreiben. Dann traf er Gülperi am Strand in der Türkei. Deren Vater war nach Kopenhagen ausgewandert, sie suchten in einer Werft einen Schiffsbau-Ingenieur und lockten mit einem gut bezahlten Job. Dort wuchs Gülperi auf, arbeitete beim Finanzamt. Und versuchte sich auch mal beim Fußball. „Ein halbes Jahr habe ich durchgehalten, dann habe ich ein Eigentor geschossen“, erinnert sie sich, „und aufgehört“. Insofern besitzt sie auch ein bisschen Expertise und Ahnung. Zumindest mehr als vom Schwäbischen. „Wenn mein Mann mit seinen Kumpels zusammensitzt, verstehe ich kein Wort“, sagt sie und lacht.

Hügel? Oder Berge?

Auch die Anmutung der Landschaft ist eine andere. „Als wir erstmals von Gmünd hoch in den Wald gefahren sind, hat sie gesagt, das sei ja toll, diese Berge überall“, sagt Eren Altan, „ich habe ihr dann erst einmal erzählt, dass das nur Hügel sind.“ natürlich waren sie auch schon in den richtigen Bergen, aber das ist kein Ersatz: „Ich vermisse das Meer“, sagt Gülperi Altan. Und Lakritze. „Die essen alle Dänen für ihr Leben gerne, aber hier rümpfen alle die Nase.“

Dänische Flaggen überall

Ihre Landsleute werden bei ihrer Tour mit der Nationalmannschaft, die am 16. Juni in Stuttgart gegen Slowenien also eher die schwäbische Braukunst testen. Wie viele Dänen kommen, weiß sie nicht. Aber sie schätzt, es werden viele sein. „Wenn die Nationalmannschaft spielt, sind wir Feuer und Flamme.“ Und Rot und Weiß gekleidet wie die Landesflagge. „Das ist anders als hier“, sagt Eren Altan, „beim vierten Geburtstag von Gülperis Nichte waren überall dänische Flaggen, als Wimpel und sogar auf dem Kuchen.“ Man kennt das spätestens seit der EM 1992, als die Dänen aus dem Urlaub heraus Europameister wurden und im Finale die Deutschen schlugen, angefeuert von dem Schlachtruf, „we are red, we are white, we are danish dynamite“.

Was ist die Lieblingsspeise?

Damit das weiß-rote Dynamit nicht verpufft, bietet sich ein Besuch im Hygge an. Dort gibt es schwäbische Tapas unter dem Namen „Häpple“. Das ist zugegeben gewöhnungsbedürftig für dänische Zungen, aber Gülperi Altan ist sich sicher, dass ihre Landsleute auch ihren Favoriten mögen. „Ich liebe Kässpätzle!“