Vor 500 Jahren revoltierten die Bauern gegen die Feudalordnung. Eine große Landesausstellung in Stuttgart und im Oberland spinnt den Faden in die Gegenwart.

Mit dem Revoltieren taten sich die Deutschen schwer – bis 1989 die DDR-Bürger erfolgreich aufbegehrten. 1918, am Ende des Ersten Weltkriegs, hatte die Revolution zwar ein zentrales Ziel erreicht: Die Fürsten wurden von den Thronen verstoßen, allerdings kommod versorgt. Die reaktionären Kräfte blieben in ihren Ämtern: in Bürokratie, Militär, Justiz, und auch die Wirtschaftsgrößen sabotierten die junge Republik. Die bürgerliche Revolution von 1848 ging völlig in die Hose, auf die Französische Revolution und die folgende imperiale Politik Napoleons reagierten die Deutschen mit einem dumpfen Nationalismus.

 

Auch der große Bauernkrieg 1525 scheiterte, aber er gilt dennoch als Leuchtturm der deutschen Demokratiegeschichte. Weil sich das damalige Geschehen wesentlich in Südwestdeutschland – vom Südschwarzwald bis etwa zum Lech – abspielte, soll es zum 500-Jahr-Jubiläum eine Große Landesausstellung geben. Kulturstaatssekretär Arne Braun stellte am Dienstag das Konzept vor – zusammen mit Christina Haak, der Leiterin des Württembergischen Landesmuseums. Knapp 7,2 Millionen Euro stehen dafür bereit, drei Millionen Euro kommen vom Bund, 2,5 Millionen Euro vom Land. Den Rest geben Sponsoren. Ministerpräsident Winfried Kretschmann würdigte nach der jüngsten Kabinettssitzung den Bauernkrieg als Markstein in der Geschichte der Menschenrechte. Die von den Aufständischen in Memmingen verfassten „Zwölf Artikel“ gelten als wichtigste Programmschrift des Bauernkrieges.

Nur Protest oder doch auch Revolution?

Das Ausstellungskonzept ist dezentral angelegt, so wie ja auch das Aufstandsgeschehen regional ganz unterschiedlich war. Im Südwesten brannte es – bei schwacher Territorialherrschaft – lichterloh, ebenso in Franken und in Mitteldeutschland, wo der Prediger Thomas Müntzer wirkte. Für das Stuttgarter Alte Schloss, den Standort des Württembergischen Landesmuseums, ist die Ausstellung „Protest! Von der Wut der Bewegung“ vorgesehen. Dort sollen historisch übergreifende Fragen wie diesen nachgegangen werden: Wie entstehen Protestbewegungen? Was bringt Menschen dazu, sich zu erheben? Das Bauernkriegsjubiläum fungiert als Anlass und historisches Beispiel. Für Kinder und deren Eltern läuft parallel die Mitmachausstellung „Zoff!“, bei der es um Konflikte in der Familie, in der Schule oder auch in der Kita geht. Ein zweiter lokaler Schwerpunkt wird das Kloster Bad Schussenried (Kreis Biberach) sein, wo unter dem Titel „Uffrur! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ neben Originalexponaten auch Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Mittels einer „Roadshow“ soll das Thema an weiteren Orten erlebbar gemacht werden. Die Ausstellungsmacher sprechen von einem „elaborierten Storytelling“.

Ein Begriff allerdings fehlt in dieser Story: das Wort Revolution. Der Bauernkrieg nagte an den Wurzeln der Feudalordnung. Den Bauern ging es um eine prinzipielle Umgestaltung der sozialen und politischen Ordnung auf der Grundlage der Gleichheit aller Menschen. Dieses Prinzip wurde, der Zeit entsprechend, mit der Religion begründet. Christus habe sein Blut für alle vergossen, heißt es in den „Zwölf Artikeln“: „den Hirten gleich wie den Höchsten, keinen ausgenommen. Darum erfindet sich mit der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen.“

Von Wyhl bis Stuttgart 21

Dem Bauernkrieg lag ein revolutionäres Potenzial inne, das über urgrüne Vorstellungen von legitimem „Protest“ hinausreicht. Von Wyhl über Mutlangen bis zu Stuttgart 21 haben die Grünen Protest gelebt. Revolution aber geht zu weit. Protest hui, Revolution pfui. Ob solche Erwägungen bei der Ausstellungskonzeption eine Rolle spielten? Christina Haak vom Landesmuseum winkt ab. Solche Vorgaben habe es nicht gegen und seien auch nicht intendiert. Die Schau im Alten Schloss öffnet im Herbst 2024.