Hochglanzbilder in Wanderführern gaukeln einem vor, wie schön es ist, am Wochenende gemeinsam mit den Kindern was zu unternehmen. Die Realität sieht aber ganz anders aus.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Kalenderbilder erzählen nie die Wahrheit. Jedenfalls nicht die, die über meinem Esstisch hängen. Das aktuelle Foto zeigt meine beiden Töchter im Garten der Eselsmühle in Musberg. Wie ein Herz und eine Seele sitzen sie bei Sonnenschein nebeneinander an einem rustikalen Holztisch – jede ein großes Stück Zwetschgenkuchen und eine Flasche mit roter Bionade vor sich. Die beiden sehen so glücklich aus!

 

Was das Foto nicht erzählt, ist das Drama, das sich davor abgespielt hat. Da hatte die Mutter nämlich die Idee, das schöne Wetter zu nutzen und einen Familienausflug zu machen. Das Wort allein lässt bei meinen Kindern die Alarmglocken schrillen. Echt jetzt? Gemeinsam mit Mama und Papa irgendwo in die Öffentlichkeit? An einem freien Sonntag, den man auch perfekt dazu nutzen könnte, um draußen mit Freunden oder auch einfach nur allein zu Hause abzuhängen? In diesem konkreten Fall kam noch erschwerend hinzu, dass der Weg zur Eselsmühle mit dem Fahrrad zurückzulegen war. Und ja, von Kaltental nach Musberg sind einige Höhenmeter zu absolvieren. Wir hatten eine längere Diskussion vor dem Start sowie viel Schweiß und sogar einige Wuttränen auf der Strecke.

Wie das Kind bei Laune halten?

Ich kann meinen Kalender durchblättern, und fast jeder Monat zeigt meine Familie an einem schönen Tag an einem schönen Ort mit glücklichen Gesichtern. Doch zu fast jedem Bild gibt es auch eine Geschichte. Früher ließ ich mich von Büchern über die Region oder auch entsprechenden Seiten im Internet inspirieren, um attraktive Ausflugsziele zu finden. Da standen dann oft Tipps nach dem Motto: „So hat auch das Kind Lust am Wandern.“ Die funktionierten bei uns aber nie. Irgendwann fing das Gemecker an und zog die Stimmung so weit runter, bis mein Mann und ich darüber stritten, wer von uns eigentlich die Idee zu diesem bescheuerten Familienausflug hatte.

Dennoch halten wir bis heute an dem Konzept fest. Zuletzt ging es in den Pfingstferien nach Bad Urach. Während ich versuchte, die jüngere Tochter für die gemeinsame Unternehmung zu motivieren, richteten mein Mann und die Große das Vesper. Diese Arbeitsteilung bereute ich später, als ich feststellte, dass es trockene Brötchen und – immerhin! – Äpfel und Möhren gab.

Unterwegs Hörbuch hören? Eine ganz miese Idee!

Mit meiner kleinen Tochter war ich den Deal eingegangen, dass sie das Handy mitnehmen und unterwegs Hörbuch hören durfte. Ich hatte die Hoffnung, dass sie versunken in eine Geschichte gar nicht merken würde, wie sie immer einen Fuß vor den anderen setzt. Das hatte aber zur Folge, dass ich die ganze Zeit neben einem schweigenden Kind hertrottete, während mein Mann und die ältere Tochter vorneweg liefen, weil ihnen das zu doof war. Angesichts des mauen Proviants hob auch die Mittagspause nicht die Laune. Der Weg vom Wasserfall nach oben war gesperrt und wir mussten begleitet von viel Gemaule eine unattraktive Route in Richtung Burgruine nehmen.

Doch oben angekommen gab es eine tolle Aussicht, viel zu entdecken und alles war wieder eitel Sonnenschein. Wir nahmen Platz auf einer breiten Mauer, schwatzten, lachten und knabberten ein paar Schokokekse, die mein Mann dann doch noch aus dem Rucksack zauberte. Genau in diesem Moment entstand das Foto für den nächsten Familienkalender. Bevor wir – Sie ahnen es, denn auch Sie haben die letzten Pfingstferien sicher noch in Erinnerung – im strömenden Regen wieder Richtung Auto liefen.

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Alexandra Kratz hat zwei Töchter, die mitten in der Pubertät stecken. Allzu oft erkennt sie sich dabei in ihren eigenen Kindern wieder.