Gunter Demnig kommt in die Stadt. Der Kölner Künstler, von dem die Idee zu den Stolpersteinen für Opfer der NS-Diktatur stammt, verlegt in Stuttgart weitere Steine. Wir berichten darüber im Rahmen unserer Stolperstein-Serie.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen werden nicht müde, über die Schicksale von Stuttgarter Bürgerinnen und Bürgern aufzuklären, die von den Nazis ermordet wurden. Dank der Recherchen der ehrenamtlich Aktiven werden in dieser Woche zehn weitere Stolpersteine verlegt; im Juni kommt ein weiterer hinzu. Insgesamt sind in Stuttgart bereits mehr als 1000 Stolpersteine im Boden und im übertragenen Sinne im Stadtgedächtnis verankert. „Die Stolperstein-Initiativen wollen mit der Erinnerung an die Entrechteten in der NS-Zeit deutlich machen, dass Widerstand und Zivilcourage frühzeitig notwendig sind, wenn Hass und Gewalt um sich greifen und die demokratischen Grundwerte bedroht werden“, betont ihr Sprecher Werner Schmidt.

 

Ermordet in einer „Kinderfachabteilung“

Die Verlegung der neuen Stolpersteine am 16. Mai und am 18. Juni am letzten selbst gewählten Wohnort der Opfer nimmt Gunter Demnig, Künstler aus Köln und Initiator des europaweiten Erinnerungsprojektes persönlich vor. Gedacht wird des Deserteurs Karl Klett in der Leo-Vetter-Straße 1 in Stuttgart-Ost (Verlegung um 9.30 Uhr). Einen Gedenkstein erhält auch Johanna Schwersenz, eine Jüdin, die in der Frühlingshalde 10 im Stuttgarter Norden wohnte und in einem Konzentrationslager ermordet wurde (Verlegung 10 Uhr). In der Hauptstätterstraße 54 in Stuttgart Mitte/Süd erinnert künftig ein Stein an den dreijährigen Rolf Hugel, der an einer Autoimmunerkrankung litt und in einer sogenannten „Kinderfachabteilung“ im Rheinland mit Medikamenten ermordet wurde; 39 solcher Fälle sind allein in Stuttgart beurkundet (Verlegung 10.30 Uhr).

In der Uhlandstraße 14 A in Stuttgart-Mitte werden im Beisein von Schülern der Stuttgart American High School vier Steine für Isak, Johanna, Fritz und Carry Flak verlegt. Zudem je ein Stein für Meier Rosenstein und Frieda Süss-Schülein. Die beiden jüdischen Familien verbindet ein Leidensweg, der mit dem von den Nazis verursachten Tod aller sechs Personen endet (Verlegung 11 Uhr ). Ein weiterer Stolperstein wird in der Ruppmannstraße 21 in Vaihingen eingelassen. Er gilt Anatol Bondorenko, einem Zwangsarbeiterkind, das im Lager Heßbrühl in Stuttgart geboren wurde und an Unterversorgung starb; der Junge wurde nur etwa zwei Monate alt (Verlegung 12 Uhr).

In einer separaten Zeremonie gedenken die Stolperstein-Initiativen am 18. Juni im Sparrhärmlingweg 51 in Bad Cannstatt dem ehemaligen KPD-Mitglied Rudolf Sperandio (1908-2004). Als Interbrigadist war der Stuttgarter an der Verteidigung der Spanischen Republik 1936-1939 gegen den faschistischen Putsch von General Franco beteiligt. Auch dazu wird Demnig erwartet.

Im Rahmen einer Serie erinnert unsere Zeitung in diesem Jahr an die Menschen hinter den Namen, denen in Stuttgart ein Stolperstein gewidmet ist. Informationen von der Initiative gibt es unter https://www.stolpersteine-stuttgart.de.