Als wären sie einer Fashion-Show von Gaultier entsprungen: Im Stuttgarter Schauspielhaus steckt die Regisseurin Bernadette Sonnenbichler die Höflinge von Ludwig XIV. in schrille Kostüme. Darüber vergisst sie leider, sich tiefer in Molières bittere Komödie vom „Menschenfeind“ zu knien.

Stuttgart - Nie war Molière autobiografischer als in seinem „Menschenfeind“. Nach Jahren der Wanderschaft am Hofe Ludwig XIV. angekommen, verheiratet mit einer wesentlich jüngeren Frau, die ihn nach Strich und Faden betrügt, klarsichtig auch alle anderen Heucheleien am Hof des Sonnenkönigs durchschauend, spielt er bei der Uraufführung 1666 selbst die Titelrolle des Alceste. Molières Menschenfeind fühlt sich abgestoßen von der Verlogenheit der Gesellschaft, aber angezogen von Célimène, der verwitweten Hofdame, die ohne die Aufgeblasenheit der Salons nicht leben kann. Sie liebt die Galanterien, die er hasst. Das kann nicht gut gehen in dieser Komödie mit den vielen Bitterstoffen, weshalb die Inszenierung von Bernadette Sonnenbichler aus dem Menschenfeind einen Tugendterroristen macht.

 

Richter Gnadenlos

Im Stuttgarter Schauspielhaus brilliert Matthias Leja als von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleideter Richter Gnadenlos, der den intriganten Höflingen den Spiegel vorhält – und was sie da sehen, ist nicht nur in der Kostümierung das schiere Gegenteil seines Alceste. Als wären sie auf einer Freak-Fashion-Show von Gaultier stolzieren die schrillen Adligen mit streng formalisierten Bewegungen durch den Salon der Célimène, eine Stilisierung und Karikierung, deren spielerische und dramaturgische Möglichkeiten sich allerdings schnell erschöpfen. Auf Dauer wirkt der Abend einfallslos und ermüdend, zumal der famose Titeldarsteller keine ebenbürtigen Gegenspieler findet. Sieg nach Punkten für Alceste, der eine grässlich hohe Kampfmoral beweist – und einem das Leben, daran freilich lässt die hübsch aufgeputzte Inszenierung keinen Zweifel, das Leben zur Hölle machen würde. Ausführliche Kritik folgt.