Olaf Scholz hat in Berlin jede Menge afrikanischer Präsidenten getroffen. Das ist für den Bundeskanzler eine willkommene Abwechslung. Aber es geht um mehr.

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Das ist das Schöne, wenn man Gäste hat: Üblicherweise sind sie höflich – und gelegentlich auch so herzlich, wie man es zu Hause eigentlich gar nicht kennt. „Unseren lieben Bruder“ nennt Azali Assoumani, Präsident der Komoren und Vorsitzender der Afrikanischen Union, den Bundeskanzler. So viel öffentliche Zuneigung ist Olaf Scholz in Berlin gar nicht mehr gewohnt –auch und gerade von den eigenen Koalitionspartnern.

 

Der „Compact with Africa“, zu dem der Kanzler nach Berlin geladen hat, ist für Scholz in Zeiten, in denen der Haushalt der Ampel durch eine weitreichende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ins Wanken geraten ist, eine willkommene Abwechslung. Aber auch, so wird es aus Regierungskreisen versichert, ein Herzensanliegen.

Eine Initiative Deutschlands

Das ganze Projekt geht auf eine Initiative Deutschlands während seines Vorsitzes in der Gruppe der G20-Staaten im Jahr 2017 zurück. 13 Länder Afrikas gehören mittlerweile dazu. Das Ziel ist, dass sich in diesen Ländern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern und dass sie von mehr ausländischen Investitionen profitieren. Auch und gerade aus Europa und Deutschland.

Zu diesem Zweck gab es in Berlin am Montag eine Wirtschaftskonferenz, zu der zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus Afrika angereist waren. Für den Bundeskanzler sollte das Ganze – noch bevor es am Nachmittag zu einer Arbeitssitzung in größerer Runde kam – zum Speeddating werden. Auf seinem Plan standen Treffen mit den Präsidenten von Kenia, Nigeria, Senegal und Togo. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron waren da. Der Kanzler begrüßte aber auch Gründer aus afrikanischen Staaten, vom Recycling-Startup aus Ruanda bis hin zum Bioenergie-Unternehmen von der Elfenbeinküste.

Als Scholz dann später am Tag mit Assoumani und dem Generalsekretär der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, im Kanzleramt zusammentraf, sparte er selbst nicht an salbungsvollen Worten. „Afrika ist unser Wunschpartner, wenn es darum geht, unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu intensivieren und den gemeinsamen Weg in eine klimaneutrale Zukunft zu gehen“, betonte er. Klar sei, dass sich das enorme wirtschaftliche Potenzial nur durch große private Investitionen heben lassen werde, fügte Scholz hinzu. Das Interesse deutscher Unternehmen an Afrika sei immens.

Doch sind Europa und Deutschland nicht viel zu spät dran? Haben nicht längst die Chinesen, planvoll und entschieden, alle wichtigen ökonomischen Pflöcke auf dem afrikanischen Kontinent eingeschlagen? Der Generalsekretär der Afrikanischen Union trat selbstbewusst auf. Während der Kanzler neben ihm stand, sprach Faki von den 30 Millionen Quadratkilometern Fläche Afrikas, von seinen 1,45 Milliarden Menschen – und davon, dass sich dort 60 Prozent der noch ungenutzten landwirtschaftlichen Flächen dieser Welt fänden. Er verwies aber auch darauf, dass in Afrika 600 Millionen Menschen keinen Zugang zu Strom hätten.

War China wagemutiger?

Auf die Frage nach der ökonomischen Vormacht Chinas in Afrika antwortete er: „Vielleicht waren die Chinesen etwas wagemutiger.“ Vielleicht hätten die Chinesen mehr auf das Potenzial Afrikas vertraut, fügte er hinzu. Im Prinzip läge Europa Afrika aber näher. Scholz sagte, es gehe nicht um Konkurrenz zu anderen, sondern um erfolgversprechende Investitionen.

Einen Focus auf gute Beziehungen nach Afrika zu legen, ist ein Kern von Scholz‘ Außenpolitik. Der Kanzler ist in diesem Jahr bereits zweimal auf den Kontinent gereist. Dabei geht es – neben dem Werben um Unterstützung für die Haltung des Westens im Krieg gegen die Ukraine – um wirtschaftliche Fragen wie die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit grünem Wasserstoff. Migrationspartnerschaften sollen es möglich machen, dass Fachkräfte aus afrikanischen Ländern regulär nach Deutschland kommen – wenn die Länder im Gegenzug abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen. Da liegen Afrika-Politik und deutsche Innenpolitik eng beieinander.

Doch geht dem Kanzler – nach dem Urteil des Verfassungsgerichts – womöglich auch das Geld für seine Afrikapolitik aus, für Zusagen, die beim „Compact with Africa“ afrikanischen Staaten gemacht würden? Aus seiner Sicht müsse man sich da keine Sorgen machen, erklärte Scholz.