Bessere Technik macht es möglich: Da moderne Züge auch größere Steigungen überwinden können, würde der Bau einer neuen Verbindung zwischen Nellingen und Esslingen billiger als bei älteren Planungen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Eigentlich nutzen der Esslinger Landrat Heinz Eininger und der Geschäftsführer des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS), Horst Stammler, die alljährliche Kür des „Busfahrers des Jahres“ (siehe unten links) dazu, um über die aktuellen Entwicklungen des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) zu berichten (siehe unten rechts). Doch am Ende der gestrigen Pressekonferenz ließ Eininger dann noch eine kleine verkehrspolitische Bombe platzen.

 

Zwar, so betont der Landrat, befinde man sich noch in einem ganz frühen Stadium. „Aber wir prüfen gerade die Verlängerung der Stadtbahn über Ostfildern-Nellingen hinaus in das Neckartal zum Esslinger Bahnhof“, erklärte Heinz Eininger. Die Überlegungen für eine solche Verbindung sind zwar nicht neu. Zuletzt war im Jahr 2001 intensiv geprüft worden, ob es möglich ist, die Filder auf dem Schienenweg mit Esslingen zu verbinden.

Dank neuer Technik schaffen die Bahnen auch steilere Berge

Bisher waren aber alle Vorplanungen schnell zu den Akten gelegt worden, weil der Bau der Trasse viel zu teuer geworden wäre. Die damalige standardisierte Bewertung hatte beim Kosten-Nutzen-Verhältnis einen Wert in Höhe von 0,8 ergeben. Erst bei mehr als 1,0 kann ein solches Projekt auf Bundeszuschüsse hoffen. Den Anstoß für die neuerliche Untersuchung hat eine Bachelor-Arbeit von Sören Haas gegeben. In enger Zusammenarbeit mit den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) hatte sich der Infrastrukturmanagement-Student der Stuttgarter Hochschule für Technik mit dem Thema „Planung und Entwurf einer Stadtbahnverbindung von Ostfildern nach Esslingen“ beschäftigt. Dabei hat er herausgefunden, dass die Stadtbahnen mittlerweile technisch so gut entwickelt sind, dass sie auch größere Steigungen als bisher angenommen bewältigen können.

„Dadurch werden die Strecke und vor allem auch der Tunnel, den wir brauchen werden, um die Stadtbahn nach Esslingen zu führen, deutlich kürzer – und so sinken auch die Kosten“, erläutert Klaus Neckernuß, der Verkehrsexperte des Landratsamts. Zudem würde die Stadtbahn auch am geplanten Festo-Technologiezentrum vorbeiführen. Es sei deshalb absehbar, dass die Nutzerzahlen der Verbindung deutlich höher liegen würden als im Jahr 2001 angenommen. Sören Haas hat in seiner Berechnung einen Kosten-Nutzen-Wert von 1,2 ermittelt.

2025 ist für die Fertigstellung angedacht

Ob diese Einschätzung stimmt, wollen die Städte Ostfildern und Esslingen sowie das Landratsamt nun genau wissen. Vor der Sommerpause haben sich alle beteiligten das erste Mal zusammengesetzt und vereinbart, eine standardisierte Bewertung in Auftrag zu geben, die als Grundlage für weitere Planungen dienen soll. Das Ergebnis der Untersuchung wird im kommenden Jahr erwartet.

Der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger machte gestern keinen Hehl daraus, dass er langfristig große Hoffnungen in die Stadtbahnüberlegungen steckt. „Der schienengebundene Verkehr hat die höchste Akzeptanz im ÖPNV.“ Wenn sich herausstellen sollte, dass sich der Bau der Strecke „finanziell darstellen lässt, werden wir das sicher weiter verfolgen“.

Esslingen habe im Flächennutzungsplan stets die Flächen für die Stadtbahn-Trasse von Nellingen zum Bahnhof frei gehalten. Wolle die Region Stuttgart dem Verkehrskollaps entgehen, müssten „in jeder Hinsicht große Anstrengungen“ unternommen werden, um den ÖPNV zu stärken, so Zieger. Allerdings brauche man für ein solches Projekt einen langen Vorlauf. Das sieht auch Klaus Neckernuß so: „Bei der ersten gemeinsamen Sitzung der Arbeitsgruppe haben wir 2025 als Jahr der Fertigstellung angedacht.“

Kommentar: Gute Argumente

Im Moment befindet sich der Öffentliche Personennahverkehr im Landkreis auf der Überholspur. Die Fahrgastzahlen steigen. Allein dank der neuen S-Bahnstrecke zwischen Kirchheim und Plochingen gibt es dort täglich doppelt so viele ÖPNV-Nutzer wie früher. Das sind gute Argumente, die der Esslinger Landrat Heinz Eininger vortragen kann, wenn er bereits in der kommenden Woche beim baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann die Verträge über den Ausbau der S-Bahn vom Flughafen nach Neuhausen und der Stadtbahn vom Fasanenhof zur Messe unter Dach und Fach bringen will.

Mit dem Anschluss Neuhausens an das Schienennetz verbindet Eininger die Vision eines S-Bahn-Ringschlusses im Neckartal. Möglicherweise bei Wendlingen könnte sich der Kreis schließen. Und weil auch die Überlegungen, die Stadtbahn nach Esslingen zu bringen, durchaus ernst zu nehmen sind, ist vielleicht sogar ein doppelter Ringschluss möglich. Ein bisschen Träumen ist erlaubt.