Ein Mann steht vor dem Landgericht, weil er ein Mitglied einer kurdischen Straßenbande niedergestochen haben soll. Der Angeklagte sagt, er sei nie Mitglied der türkischen Straßengang Osmanen Germania gewesen.

Stuttgart - Die Sicherheitsmaßnahmen am Landgericht Stuttgart sind so streng wie immer, wenn ein Prozess ansteht, der im Zusammenhang steht mit dem Bandenkrieg der Stuttgarter Kurden, auch Bahoz genannt, mit der türkischen Gruppe Osmanen Germania BC. Doch es bleibt ruhig. Weder Anhänger der Kurden noch der Türken lassen sich sehen.

 

Auf der Anklagebank vor der Strafkammer 1a sitzt ein 25-jähriger Deutscher mit türkischen Wurzeln, dem Staatsanwalt Thomas Schek versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorwirft. Der Mann soll Mitglied der Osmanen sein und zusammen mit zwei Komplizen ein 27-jähriges Mitglied der Stuttgarter Kurden in Stammheim zusammengeschlagen und mit einem Messer schwer verletzt haben.

„Ich war nie Mitglied der Osmanen“, sagt der Angeklagte. Er bezeichnet besagte Straßenbande als national-türkisch und als einen „armseligen Haufen“. Und vor allem: Er habe in der Auseinandersetzung nicht zugestochen, er sei in die Sache hineingeraten und habe sich nur gewehrt.

Der Mann soll zweimal zugestochen haben

Staatsanwalt Schek sieht das anders. Er wirft dem eloquenten Mann vor, er habe das Opfer mit zwei weiteren Männern am späten Abend des 20. April voriges Jahr gezielt verfolgt und attackiert. Der 25-Jährige habe ein Messer dabeigehabt, seine mutmaßlichen Komplizen einen Schlagstock und einen Baseballschläger. Auch eine Gaspistole sei zum Einsatz gekommen. Die zwei Komplizen hätten den heute 27-Jährigen zu Boden geschlagen, dann sei auf ihn eingetreten worden. Schließlich habe der Angeklagte den Mann in den linken Oberarm und in die linke Flanke gestochen. Hintergrund sei der Konflikt der türkischen Osmanen Germania mit den inzwischen multinationalen Stuttgarter Kurden, die aus der 2013 verbotenen Straßenbande Red Legion hervorgegangen sind.

Der Racheakt auf diese Attacke folgte nur einen Tag später. In Ludwigsburg schlugen Mitglieder der Kurden-Gang zwei Osmanen vor dem Kreiskrankenhaus zusammen. Für diesen Angriff sind bereits drei Männer zu Gefängnisstrafen bis zu vier Jahren verurteilt worden. Eine Frau kam mit einer Bewährungsstrafe davon.

Auch für die Gewalttat in Stammheim ist ein Mann bereits zu vier Jahren verurteilt worden. Ein weiterer mutmaßlicher Täter ist in der Türkei untergetaucht.

Der 25-Jährige sagt, er habe immer ein „Messerchen“ dabei

Jetzt steht der 25-Jährige vor Gericht und bietet eine Version an, die mit der Anklage so gar nicht zusammenpasst. Er kenne seine zwei mutmaßlichen Komplizen seit vielen Jahren. Früher sei man bei den Black Jackets gewesen, wegen der „Sinnlosigkeit“ dieser Straßengang aber ausgestiegen. Der in der Türkei untergetauchte Freund habe sich später den Osmanen zugewandt. Am Tattag habe man eigentlich in eine Shisha-Bar nach Böblingen gewollt und sei deshalb schick angezogen gewesen. Das Trio habe auf dem Weg einen Abstecher nach Stammheim zur Wohnung des Osmanen-Kumpels gemacht. Dort sei man von zwei mit einem Messer und einer Pistole bewaffneten Männern angegriffen worden. Er selbst, so der Angeklagte, habe im Lauf des Kampfes zugetreten, gestochen habe er nicht, obwohl „ich immer ein Messerchen dabeihabe“. Er habe lediglich mit dem Messergriff zugeschlagen, um sich zu wehren.

Der Schwurgerichtsprozess wird am 25. Oktober fortgesetzt.