Der neue französische Präsident wurde in Berlin begeistert empfangen. Mit der Kanzlerin vereinbarte Emmanuel Macron eine engere Zusammenarbeit beider Länder – und eine Reform der Euro-Zone. Doch beide wissen, wie schwierig dieser Umbau werden könnte.

Berlin - Er ist ihr klarer Favorit gewesen, nachdem der Konservative François Fillon über eine Affäre gestolpert war und die Nationalistin Marine Le Pen zur gefürchteten Alternative wurde: Entsprechend herzlich fiel am Montag die Begrüßung für den frisch ins Amt eingeführten Emmanuel Macron aus. Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete es als „große Ehre“, dass den französischen Präsidenten sein erster Auslandsbesuch nach Berlin führte. Die Freude darüber teilten offenbar auch zahlreiche Berliner Bürger, die sich am späten Nachmittag vor dem Kanzleramt versammelt und Macron einen begeisterten Empfang bereitet hatten.

 

„Dieser Freudentaumel hat mich sehr berührt“, gestand er später: „Dieser Enthusiasmus ist uns aber auch Verpflichtung – mir und der Kanzlerin.“ Die mahnte in dieselbe Richtung, indem sie zuerst Hermann Hesses „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ zitierte und anschließend darauf verwies, „dass dieser Zauber nur hält, wenn es die entsprechenden Resultate gibt“.

Merkel will der Freundschaft einen „Push“ geben

Daraus spricht auch bei Merkel das Bewusstsein, dass der 39-jährige Macron bei seiner innenpolitischen Reformagenda Unterstützung gut gebrauchen kann, die zudem im besten deutschen Interesse sei: „Europa wird es nur gut gehen, wenn es ein starkes Frankreich gibt.“ Und Europa, das sei vielen Deutschen während der Wahlen in Frankreich wieder bewusst geworden, sei „ein Schatz“, den es zu hüten gelte.

Vereinbart wurde, sich eng abzustimmen, um der deutsch-französischen wie der Zusammenarbeit in der EU „neue Dynamik“ und einen „Push“ zu geben, wie Merkel sagte. „Wir brauchen ein Europa“, forderte Macron, „das weniger bürokratisch ist und die Menschen besser vor Auswirkungen der Globalisierung schützt.“ Er und die Kanzlerin seien „beide überzeugt, dass wir kurzfristig Ergebnisse brauchen, aber auch eine tiefgreifende Veränderung, eine wirkliche Neugründung Europas“.

Deutsch-französische Initiativen sollen der EU Kraft geben

Konkret sprach das neue deutsch-französische Tandem aber auch über aktuelle EU-Streitthemen, etwa die Arbeiten am neuen europäischen Asylsystem, der EU-Entsenderichtlinie zur Lohnhöhe für Arbeitnehmer aus dem europäischen Ausland sowie die internationalen Handelsbeziehungen. „Europa schützt seine Unternehmen schlechter als die USA“, bemängelte Macron, der auf das Prinzip der Gegenseitigkeit in Handelsverträgen pochte.

Noch für Juni beriefen Macron und Merkel einen deutsch-französischen Ministerrat der „Kernressorts“ ein, der neue deutsch-französische Initiativen in verschiedenen Politikbereichen entwickeln soll, die auch als „Impulsgeber“ für die ganze EU dienen sollen. Die Kanzlerin nannte hier vor allem den Bereich der Verteidigungspolitik und eine mögliche Harmonisierung des Unternehmenssteuerrechts.

Die Währungsunion soll vertieft werden

Mittelfristig soll ein Fahrplan zur weiteren Vertiefung der Währungsunion erarbeitet werden – ob darin auch ein Euro-Finanzminister, eine parlamentarische Euro-Kammer und ein eigenes Budget für die Währungsunion auftauchen sollen, blieb am Montagabend unbeantwortet. Allerding schlossen beide Seiten eine Änderung der EU-Verträge zu diesem Zweck ausdrücklich nicht aus. Wenn klar sei, welches Ziel damit verfolgt werde, so Merkel, „wird Deutschland dazu bereit sein“. Macron bezeichnete angesichts des 2005 in seinem Land gescheiterten Referendums zur EU-Verfassung die Änderung der Rechtsgrundlage als „französisches Tabu“, ergänzte jedoch: „Für mich ist es das nicht.“

Dass es auch Meinungsunterschiede gibt, räumte die Kanzlerin ein. Mit Blick auf eine größere – auch finanzielle – deutsch-französische Solidarität könnte die CDU- Bundestagsfraktion Probleme machen, die jedem weiteren finanziellen Engagement skeptisch gegenüber steht. Das hat SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel schon zum Verfassen eigener Reformpapiere veranlasst, um die Union auf dem Feld der Europafreundlichkeit zu stellen. Von einem gemeinsamen EU-Kommissar ist darin zum Beispiel die Rede, gemeinsamen Botschaftsvertretungen im Ausland und auch einem Investitionsfonds für grenzüberschreitende Verkehrs-, Energie- oder Digitalnetze.

Macron weiß um den Druck aus der CDU

Die sind auch in der CDU kein Tabu, Eurobonds sind es schon. Macron wollte die Kritik daran wohl im Keim ersticken und bekannte, „kein Unterstützer einer Vergemeinschaftung alter Schulden“ zu sein. Dass er eine gemeinsame Aufnahme von Neuschulden nicht ausschloss, dürfte in der CDU genau vernommen werden. Macron weiß das: „Die Bundeskanzlerin muss da noch Überzeugungsarbeit gegenüber ihrer öffentlichen Meinung leisten.“