CSU-Chef Horst Seehofer besteht darauf, dass die Obergrenze im Koalitonsvertrag steht – ansonsten verweigert er seine Mitarbeit. Nun trifft Bundespräsident Steinmeier den Nagel auf den Kopf. Ein Kommentar von StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Obergrenze ist ein problematisches Wort. Manche empfinden es als Provokation, andere sprechen es aus wie einen heiligen Eid. Es ist zum Popanz geworden in der deutschen Flüchtlingspolitik. Nun könnte es zum Stolperstein werden auf dem Weg zu einer Koalition in den Nationalfarben von Jamaika.

 

Die Obergrenze der CSU ist die Untergrenze für ein solches Bündnis. Der Parteivorsitzende Horst Seehofer will sich einer Mitarbeit verweigern, wenn seine Obergrenze nicht im Koalitionsvertrag steht. Grüne und Liberale wiederum wollen lieber in der Opposition bleiben, wenn dies der Eintrittspreis sein sollte.

Mangelnde Glaubwürdigkeit der Kanzlerin

Alles bloß Wortgeklingel? Koalitionspoker? Symbolpolitik? Es ist eine Lebenslüge all derer, die glauben, nach dieser Wahl einfach zur Tagesordnung übergehen zu können, wenn sie dieses Reizthema als schlichte Propaganda abtun. Vielmehr handelt es sich um die Gretchenfrage für viele Wähler. Die Flüchtlingspolitik war das im Wahlkampf weitgehend ausgeblendete Thema Nummer eins, das zeigen alle Umfragen. Die verheerenden Einbußen der Union sind auch ein Resultat der mangelnden Glaubwürdigkeit ihrer Kanzlerin auf diesem Feld. Der Zulauf für eine in sich zerstrittene Protestpartei, deren Programm aus kraftmeierischen Phrasen und Leerstellen besteht, erklärt sich ebenfalls damit. Es wäre fatal, sich jetzt aus der Affäre stehlen zu wollen, indem Angela Merkel und ihre Partner in spe so tun, als gehe es nur um ein Nachhutgefecht Seehofers mit Blick auf seine eigene Macht in Bayern.

Der Bundespräsident trifft den Nagel auf den Kopf: Wir müssten uns ehrlich machen in der Flüchtlingspolitik, mahnt er und verweist zugleich auf die Dringlichkeit zu helfen und die begrenzten Möglichkeiten – das humanitäre Dilemma unserer Zeit. Das Ideal der Nächstenliebe gebietet es, Menschen in Not Obhut zu bieten, erst recht, wenn sie verfolgt werden oder um ihr Leben bangen müssen. Die politische Vernunft spricht jedoch dafür, dass sich ein Staat dabei nicht übernehmen sollte, dass er auch auf den inneren Frieden, die soziale Balance zu achten hat. Ob es klug wäre, eine fixe Zahl zu nennen, die wir jedes Jahr aufnehmen wollen, mag dahingestellt bleiben. Unverzichtbar ist es jedenfalls, sich klar zu werden, wo die eigenen Möglichkeiten enden und was eben noch zumutbar ist.

Grundrecht auf Asyl ist eng begrenzt

Natürlich gibt es eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Sie ist durch die Aufnahmekapazitäten, die Integrationsperspektiven und die Akzeptanz von Migranten in der Bevölkerung definiert. Ist der Platz für weitere Unterkünfte etwa nicht begrenzt? Ist die Zahl der Wohnungen für Flüchtlinge, die der Willkommensklassen in den Schulen, der Deutschlehrer und Sozialarbeiter nicht endlich? Und ist nicht zuletzt die Zahl der Jobs für ungelernte Ausländer mit schlechten Sprachkenntnissen relativ klein? Wer das nicht wahrhaben will, lügt sich in die eigene Tasche. Der wohlfeile Spruch, wonach das Grundrecht auf Asyl unbegrenzt gelte, ist weltfremd. Das Grundrecht auf Asyl ist in Deutschland sogar sehr eng begrenzt. Nur 0,6 Prozent derjenigen, die es begehren, steht es auch zu. Das Asylrecht ist kein Einfallstor für Armutsflüchtlinge. Auch dies hat der Präsident ausdrücklich betont. Arbeitsmigration ließe sich durch ein Einwanderungsgesetz kanalisieren.

Es ist doch völlig klar, dass kein einziges EU-Land noch einmal einen unkontrollierten Flüchtlingszustrom dulden wird. Kanzlerin Merkel selbst hat versprochen, dass sich die Zustände von 2015 nicht wiederholen. Das ist auch eine rote Linie. In der EU muss man sich auf eine Höchstzahl von Flüchtlingen verständigen, die jedes Jahr kommen können. Solche Kontingente sind nichts anderes als Obergrenzen. Man kann das auch Einreiselimit oder Asylmaximum nennen. Entscheidend ist nicht der Begriff, sondern das politische Signal.