Die Prämien für Autoversicherungen dürften weiter steigen. Wer jetzt zum Stichtag den Anbieter wechseln will, muss allerdings gut recherchieren.

Stuttgart - Es scheint fast wie ein Naturgesetz. Im Herbst fallen die Blätter und viele Autofahrer wechseln ihre Kfz-Versicherung. Im vergangenen Jahr sind 1,8 Millionen Halter ihrem Versicherer untreu geworden, hat der Marktforscher Yougov herausgefunden, ein Fünftel mehr als 2013. Auch in diesem Jahr dürften die Versicherten flexibel reagieren, denn in Phasen steigender Beiträge sind Kunden besonders wechselbereit – und Beitragserhöhungen sieht Thomas Köhne auch in diesem Herbst auf Kfz-Versicherte zukommen. In einer Studie für den Online-Versicherer Direct Line hat der Professor am Berliner Institut für Versicherungswirtschaft aktuelle Prämien für 300 Musterfälle durchgerechnet. „Das Niveau liegt im Schnitt um 4,2 Prozent über dem des Vorjahres“, lautet das Fazit des Experten. Köhne ist sicher, dass sich diese Tendenz auch in den beiden Hauptwechselmonaten Oktober und November fortsetzen wird.

 

Damit würde die 2011 begonnene Phase der Prämienerhöhungen andauern, die Jahre des ruinösen Preiskampfes der Versicherer scheinen damit, zumindest fürs Erste vorbei zu sein. Denn erst 2014 haben die Unternehmen erstmals seit sechs Jahren wieder Gewinne in der Kfz-Versicherung eingefahren. 800 Millionen Euro betrug das branchenweite Plus bei Beitragseinnahmen von 24,4 Milliarden Euro, rechnet Köhne vor. Das reiche aber noch lange nicht aus, um die addierten Gesamtverluste der sechs Vorjahre von branchenweit rund 5,6 Milliarden Euro wieder aufzufangen.

Beste Zeit für einen Wechsel

Insofern ist eine neue Prämienerhöhung plausibel, auch wenn sie sich voraussichtlich abschwächt. Voriges Jahr um diese Zeit hatte Köhne Prämienaufschläge von mehr als fünf Prozent errechnet. Andere Experten wie Deutschlands führendes Online-Vergleichsportal Check 24 trauen sich noch kein sicheres Urteil über die Prämienentwicklung in diesem Herbst zu. Die Branche mache jetzt binnen zwei Monaten die Hälfte ihres Jahresgeschäfts, und da seien kurzfristige Panikreaktionen nie ausgeschlossen, sagt Ivana Höltring. Sie ist Geschäftsführerin des auf Kfz-Policen spezialisierten Softwarehauses Nafi. Die Neukalkulationen der Versicherer lägen zwar auf dem Tisch. Aber wenn sie für ein Haus nicht aufgehen und es in den nächsten Wochen massiv Kunden verliert, dann würden Tarife oft rasch gesenkt, meint Höltring.

Wer den Anbieter wechseln will, kann das in den meisten Fällen zum Stichtag 30. November tun. Flattert einem Kunden vom bestehenden Versicherer in den nächsten Wochen eine Beitragserhöhung ins Haus, kann er noch bis Ende Dezember kündigen. Die beste Zeit für einen Wechsel sei aber Mitte November, sagt Höltring. Dann erreichten die Policen branchenweit traditionell ihren Tiefpunkt. „Ende November zum Wechseltermin steigen sie bereits wieder“, erläutert Höltring.

Der billigste Tarif ist nicht immer der beste

Wer nach einer günstigen Police fahndet, ist angesichts einer unübersichtlichen Tariflandschaft mit Dutzenden von Tarifmerkmalen und hunderten Tarifvarianten auf Vergleichsrechner angewiesen, wie Nafi sie bietet. Dort kann man sich aber nur informieren und im Gegensatz zu großen Online-Vergleichsportalen wie Check 24 oder Verivox keine neue Versicherung abschließen. Auch große Portale decken indes nicht den gesamten Markt ab.

Das größte Angebot vereint der Marktführer Check 24, wo 56 der knapp 100 hier zu Lande aktiven Versicherer vergleichbar und bei 47 Unternehmen Verträge abgeschlossen werden können. Aber auch hier fehlt zum Beispiel ausgerechnet Deutschlands größter Kfz-Versicherer Huk Coburg, dessen Hauptprodukte auf gar keinem Vergleichsrechner mehr zu finden sind, seit das von Huk betriebene Vergleichsportal Transparo pleite gegangen ist. Verbraucherschützer empfehlen deshalb vor einem Versicherungswechsel zwei Vergleichsportale zu konsultieren und von Huk 24, der Online-Tochter des Marktführers, noch ein zusätzliches Angebot einzuholen.

Die Höhe von Einsparpotenzialen hat Köhne in seiner Studie ebenfalls untersucht. In 30 Regionen bundesweit hat er dabei das günstigste Angebot mit dem Marktdurchschnitt verglichen. Daran gemessen könnten sich Kfz-Halter im Schnitt um fast die Hälfte billiger versichern, sagt der Versicherungsprofessor. Die Differenzen lägen je nach Musterfall zwischen jährlich 320 und 936 Euro. Verbraucherschützer sind hier zurückhaltender, weil viele Wechsler sich regelmäßig nach günstigen Policen umschauen. Das dämpft dann jährliche Einsparpotenziale. Die Experten des Bunds der Versicherten halten sie etwa für halb so hoch wie von Köhne taxiert. Was zählt, sei ohnehin nicht der billigste Tarif, sondern das beste Preis-Leistungsverhältnis, betont der ADAC. Bessere Leistung bei gleichem Tarif rechtfertige ebenso einen Versicherungswechsel wie ein günstigerer Tarif bei gleicher Leistung. Das setzt allerdings voraus, dass Wechselwillige einige Zeit am Computer verbringen.